Wenn jemand die Diagnose „Weichteilsarkom“ erhält, ist die Verwirrung oft groß. Der Begriff ist vielen unbekannt. Anders als bei Brust- oder Darmkrebs, bei denen man häufig schon eine Vorstellung davon hat, was auf einen zukommt, löst „Weichteilsarkom“ bei den meisten erst einmal viele Fragen aus.
Dabei handelt es sich bei einem Weichteilsarkom um einen bösartigen Tumor, der aus sogenannten Weichgeweben entsteht. Dazu gehören Bindegewebe, Stützgewebe, Muskulatur oder Fettgewebe. Weichteilsarkome unterscheiden sich deutlich von den sogenannten Karzinomen, die in Organen oder Drüsen wie der Lunge, dem Darm oder der Brust entstehen.
Der Begriff „Sarkom“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Fleisch“. Das weist darauf hin, dass sich diese Tumoren aus dem Gewebe entwickeln, das den Körper strukturell stützt – also Binde-, Fett- oder Muskelgewebe.
Professor Dr. med Kasper, ärztlicher Geschäftsführer des Mannheim Cancer Centers und Koordinator des Sarkomzentrums Mannheim, klärt über das Weichteilsarkom auf.
Karin Strube
Mitgründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Strube Stiftung
Prof. Dr. med Bernd Kasper
Koordinator des onkologischen Zentrums und des Sarkomzentrums Mannheim
Was sind Weichteilsarkome?
Wo treten Weichteilsarkome auf?
Häufigkeit
Gutartig oder bösartig?
Häufige Subtypen
Diagnostik
Behandlung im Sarkomzentrum
Therapie
Behandlungsdauer
Wichtig
Ein Weichteilsarkom ist ein bösartiger Tumor – also handelt es sich um Krebs. Wichtig ist dabei: Der Begriff „Weichgewebetumor“ allein sagt noch nichts darüber aus, ob ein Tumor gut- oder bösartig ist. Diese Unterscheidung muss erst durch weitere Untersuchungen getroffen werden. Erst wenn klar ist, dass der Tumor bösartig ist, spricht man von einem Weichteilsarkom.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Podigee. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenWeichteilsarkome können in sehr unterschiedlichen Bereichen des Körpers auftreten – überall dort, wo Weich- oder Stützgewebe vorhanden ist. Das betrifft vor allem:
Nicht betroffen sind dagegen typischerweise die inneren Organe selbst – also beispielsweise die Lunge oder die Lymphbahnen. Die Lunge spielt bei Weichteilsarkomen eher im Zusammenhang mit Metastasen, also Tochtergeschwülsten, eine Rolle, ist aber kein primärer Entstehungsort.
Weichteilsarkome können grundsätzlich überall im sogenannten Stützgewebe des Körpers entstehen. Dennoch gibt es bestimmte Körperregionen, in denen sie besonders häufig auftreten. Am häufigsten finden sich Weichteilsarkome an den Extremitäten – also in den Beinen und Armen. Deutlich seltener treten sie in anderen Körperregionen auf, können dort aber ebenfalls vorkommen.
Diese breite Streuung ist eine der Herausforderungen bei der Diagnose: Viele denken bei Krebs zunächst an Organe wie Lunge, Darm oder Brust – aber nicht an Arme oder Beine. Gerade deshalb werden Sarkome dort oft nicht sofort als bösartig erkannt.
Sarkome sind so selten, dass sie beim ersten Arztbesuch oft nicht erkannt werden. Je nach Lage im Körper kann der erste Kontakt ganz unterschiedlich aussehen – beispielsweise beim Orthopäden, Chirurgen, HNO-Arzt oder sogar beim Augenarzt. Da viele Ärztinnen und Ärzte im Laufe ihres Berufslebens vielleicht nur ein einziges Mal mit einem Sarkom konfrontiert werden, ist die Diagnose oft schwierig und verzögert sich entsprechend.
Weichteilsarkome gehören zu den seltenen bösartigen Tumoren. Sie machen nur etwa 1% aller Krebserkrankungen im Erwachsenenalter aus. Eine Krebserkrankung gilt in Europa als „selten“, wenn sie bei weniger als sechs von 100.000 Menschen pro Jahr auftritt.
Hinzu kommt: Weichteilsarkom ist nicht eine einzelne Erkrankung, sondern ein Sammelbegriff für viele unterschiedliche Tumorarten. Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) unterscheidet bis zu 150 verschiedene Subtypen, je nachdem, aus welchem Gewebe der Tumor hervorgeht. Diese Vielfalt macht die Diagnostik und Therapie noch komplexer.
Weichteilsarkome können Menschen in jedem Lebensalter betreffen. Besonders auffällig ist, dass die Erkrankung bereits bei Säuglingen und Kleinkindern auftreten kann. Es gibt einen zweiten Häufigkeitsgipfel im höheren Lebensalter – vor allem bei Menschen ab 60 bis 65 Jahren.
Während bei Kindern und Jugendlichen auch oft Knochensarkome auftreten, bezieht sich die Statistik hier auf Weichteilsarkome. In jedem Fall ist bemerkenswert, dass es keine Altersgruppe gibt, die völlig verschont bleibt.
Die meisten Weichteilsarkome entstehen sporadisch, also ohne erkennbare Ursache. Es gibt jedoch einige bekannte Risikofaktoren:
Diese erblichen Formen sind sehr selten, aber gut dokumentiert. In solchen Fällen wird eine humangenetische Beratung angeboten, zum Beispiel in spezialisierten Sarkomzentren. Dort können auch Angehörige untersucht und über mögliche Risiken aufgeklärt werden.
Der Begriff Weichgewebetumor ist zunächst neutral. Er beschreibt lediglich eine Schwellung oder Raumforderung im Weichgewebe. Ob der Tumor gutartig oder bösartig ist, lässt sich daraus noch nicht ableiten. Tatsächlich sind die gutartigen Weichgewebetumoren weitaus häufiger als die bösartigen.
In der Praxis bedeutet das: Von 100 Raumforderungen im Weichgewebe ist nur eine ein Sarkom. Für Ärztinnen und Ärzte in der Erstdiagnose – etwa in chirurgischen oder orthopädischen Praxen – ist es daher eine große Herausforderung, das eine Sarkom unter den vielen gutartigen Tumoren rechtzeitig zu erkennen.
Ein klassisches Beispiel für einen gutartigen Weichgewebetumor ist das Lipom, ein gutartiger Tumor des Fettgewebes. Viele Menschen kennen jemanden, der so etwas hat. Lipome treten sehr häufig auf und sind in der Regel harmlos.
Gerade wegen dieser Häufigkeit ist es schwierig, das seltene bösartige Liposarkom davon zu unterscheiden. Eine sichere Unterscheidung ist in der Regel nur durch eine Gewebeprobe (Biopsie) möglich.
Liposarkome machen rund 20–25% aller Weichteilsarkome aus. Sie entstehen typischerweise dort, wo viel Fettgewebe vorhanden ist – etwa im Bauchraum, aber auch an Armen und Beinen.
Ein häufiger Irrtum: Menschen mit mehr Körperfett haben kein erhöhtes Risiko, ein Liposarkom zu entwickeln. Die Menge des Körperfetts spielt für das Entstehen keine Rolle.
Der zweithäufigste Typ sind die Leiomyosarkome, die aus der Muskulatur entstehen. Dabei unterscheidet man:
Leiomyosarkome können aus beiden Arten von Muskulatur hervorgehen.
Rund 20–25% der Weichteilsarkome lassen sich nicht eindeutig einem bestimmten Zelltyp zuordnen. Diese Tumoren bezeichnet man als undifferenzierte pleomorphe Sarkome. Sie sind also bösartig, stammen aus dem Stützgewebe, können aber nicht weiter klassifiziert werden. Sie treten häufiger bei älteren Erwachsenen auf und finden sich ebenfalls oft an den Extremitäten.
Ein besonderer Subtyp ist das Synovialsarkom. Es entsteht in der Umgebung von Gelenken, genauer gesagt aus dem Gewebe der Gelenkflüssigkeit (Synovia). Betroffen sein können z.B.:
Synovialsarkome treten vor allem bei jungen Erwachsenen auf. Da sie oft mit mehreren Strukturen gleichzeitig verwachsen sind, ist ihre Behandlung – insbesondere die operative Entfernung – oft schwierig.
Ein Tumortyp, der oft in Zusammenhang mit Weichteilsarkomen genannt wird, aber eigentlich eine Sonderstellung einnimmt, ist das sogenannte GIST.
GIST steht für gastrointestinale Stromatumoren. Anders als die klassischen Weichteilsarkome entstehen sie nicht aus dem Stützgewebe, sondern aus speziellen Zellen im Verdauungstrakt, den sogenannten interstitiellen Zellen. Diese Zellen steuern die Bewegungen des Darms.
GIST tritt vor allem im mittleren bis höheren Erwachsenenalter auf – also zwischen 50 und 70 Jahren – und machen etwa 20% der bösartigen Weichgewebetumoren aus. Wichtig ist: GIST ist kein Darmkrebs, auch wenn der Tumor im Verdauungstrakt entsteht. Es handelt sich um eine andere Art von Krebserkrankung.
Typisches erstes Anzeichen eines Weichteilsarkoms ist eine Schwellung – medizinisch spricht man von einer Raumforderung. Diese kann oberflächlich sichtbar oder nur tastbar sein, oft liegt sie aber auch tiefer im Gewebe und bleibt zunächst unbemerkt. Da gutartige Weichgewebetumoren viel häufiger vorkommen, wird eine bösartige Veränderung oft nicht gleich vermutet. Es gibt jedoch einige Warnzeichen:
Solche Merkmale sollten aufmerksam machen – sie bedeuten nicht automatisch, dass es ein Sarkom ist, aber sie rechtfertigen eine weitere Abklärung.
Wenn ein Weichteilsarkom vermutet wird, ist eine Bildgebung der nächste wichtige Schritt. Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist hier der Goldstandard, insbesondere für Tumoren an Armen, Beinen oder im Rumpf.
Ein häufiges Problem: Der Weg zur MRT ist lang – es braucht die Überweisung durch eine Ärztin oder einen Arzt und oft viel Geduld, bis ein Termin frei ist. Umso wichtiger ist es, dass auffällige Befunde ernst genommen und konsequent weiterverfolgt werden.
Wenn durch die Bildgebung eine Raumforderung festgestellt wird, folgt im nächsten Schritt die sogenannte Histologiegewinnung – eine Biopsie. Dabei wird mit einer feinen Nadel ein kleines Stück des Tumors entnommen und an die Pathologie geschickt.
Erst dort kann die entscheidende Diagnose gestellt werden: Handelt es sich um ein Sarkom – und wenn ja, um welchen Subtyp?
Bei Verdacht auf ein Sarkom sollte der Patient so früh wie möglich in ein zertifiziertes Sarkomzentrum überwiesen werden – idealerweise schon vor der Biopsie.
Der Grund: Auch der Zugang für die Gewebeentnahme (Biopsie) kann später für die Operation entscheidend sein. Wird die Biopsie an einer ungünstigen Stelle durchgeführt, muss bei der Operation später mehr Gewebe entfernt werden als notwendig.
Weichteilsarkome sind seltene Tumoren, mit denen viele Ärztinnen und Ärzte in ihrem Berufsleben nur selten in Kontakt kommen. Die spezialisierte Behandlung in einem Sarkomzentrum ist daher essenziell – dort gibt es die Erfahrung und Expertise, die für die richtige Diagnose und Therapie notwendig ist.
Das gilt nicht nur für die behandelnden Ärzteteams, sondern auch für die Pathologie: Auch dort ist es oft eine Herausforderung, den exakten Subtyp zu bestimmen – dieser kann für die Auswahl der Therapie entscheidend sein.
In Deutschland gibt es rund 20 zertifizierte Sarkomzentren, die über die Deutsche Krebsgesellschaft zertifiziert wurden. Eine gute Orientierung bietet die Internetplattform Oncomap – dort lassen sich spezialisierte Zentren nach Tumorart und Region auffinden.
In zertifizierten Zentren sollten neue Patientinnen und Patienten in der Regel innerhalb von fünf Tagen einen Termin bekommen.
Die Behandlung von Weichteilsarkomen erfolgt fast immer im Rahmen einer multimodalen Therapie – also durch die Kombination mehrerer Behandlungsformen:
Diese Therapiebausteine werden individuell abgestimmt. Dafür gibt es sogenannte Tumorkonferenzen (Tumorboards), bei denen Spezialistinnen und Spezialisten verschiedener Fachrichtungen gemeinsam den besten Therapieplan erstellen.
Die Operation hat das Ziel, den Tumor möglichst vollständig zu entfernen. Je radikaler und vollständiger der Tumor entfernt werden kann, desto besser ist die Prognose.
Chemotherapie wird vor allem bei fortgeschrittenen oder metastasierten Erkrankungen eingesetzt, kann aber auch vor (neoadjuvant) oder nach (adjuvant) der Operation sinnvoll sein.
Auch die Strahlentherapie wird meist ergänzend zur Operation eingesetzt – ebenfalls vor oder nach dem Eingriff – und soll helfen, ein Wiederauftreten (Rezidiv) zu verhindern.
Bei vielen anderen Krebsarten hat die Immuntherapie in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Für Weichteilsarkome gilt das bislang nur sehr eingeschränkt. Nur wenige Subtypen sprechen gut auf Immuntherapie an.
Klinische Studien können dann eine Option sein, wenn die gängigen Standardtherapien ausgeschöpft sind. In einem spezialisierten Zentrum können Patientinnen und Patienten Zugang zu neuen, innovativen Therapieverfahren erhalten.
Die Therapie eines Weichteilsarkoms ist in der Regel keine kurzfristige Angelegenheit. Sie kann sich – je nach Zusammensetzung der Behandlungsbausteine – über mehrere Wochen bis Monate erstrecken.
Beispiel: Eine Kombination aus Operation, anschließender Strahlentherapie und Chemotherapie kann sich deutlich in die Länge ziehen. Eine gute Information und Begleitung sind daher besonders wichtig.
Die wichtigste Botschaft lautet:
Weichteilsarkome sind bösartige, seltene Tumoren, die in die Hände von Expertinnen und Experten gehören.
Gerade weil es sich um eine seltene Erkrankung handelt, ist eine gute Information und die frühe Einbindung eines erfahrenen Sarkomzentrums entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung.
Sie müssen den Inhalt von reCAPTCHA laden, um das Formular abzuschicken. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten mit Drittanbietern ausgetauscht werden.
Mehr Informationen