Zu Beginn steht die Herausforderung, die frische Diagnose den Kindern verständlich zu machen. Frau Broeckmann betont die Bedeutung von Klarheit und Offenheit im Umgang mit dieser schwierigen Situation. Das Wort „Krebs“ sollte verwendet werden und die Kinder sollen darüber aufgeklärt werden, dass es viele verschiedene Krebsarten gibt und das erkrankte Elternteil über sein spezifisches Krankheitsbild am besten Bescheid weiß. Man muss die Kinder ermutigen, Fragen zu stellen, vor allem wenn sie Geschichten über Krebserkrankungen von Dritten hören.
Karin Strube
Mitgründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Strube Stiftung
Dipl.-Psych. Sylvia Broeckmann
Psychologische Psychotherapeutin
Psychoonkologin (DKG)
Ein weiteres bedeutendes Thema ist der Umgang mit der Abwesenheit des erkrankten Elternteils, insbesondere bei Krankenhausaufenthalten. In der Regel sind heutzutage die Abwesenheiten nicht mehr so lang (bei Leukämien, akuten Leukämien und mit Lymphomen, bei großen Bauchoperationen kann der Aufenthalt länger sein). Schulkinder und Jugendliche verstehen normalerweise den vorübergehenden Verlust. Kleinkinder und Kindergartenkinder reagieren stärker darauf, da sie weniger Zukunftsperspektive haben und 2,3,4 Tage schon richtig viel sein können. Diese Zeit kann mit Besuchen überbrückt werden oder man hat eine kontinuierliche Bezugsperson, wenn es möglich ist.
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Mehr InformationenWährend der langen Behandlungszeit befindet sich die Familie in einem Ausnahmezustand. Dennoch ist es wichtig, so viel Alltag wie möglich beizubehalten – sowohl für die Kinder als auch für die Erwachsenen. Es wird zwangsläufig ein neuer Alltag entstehen, weil vieles anders abläuft. Trotzdem kann man versuchen, sich an den gewohnten Abläufen zu orientieren.
Anfangs sind die Kontrolluntersuchungen eng getaktet, später werden die Abstände länger, aber trotzdem zieht sich das über einen langen Zeitraum. Die Zeit, bis das Ergebnis da ist, bedeutet großen Stress beim Erwachsenen und somit auch bei der gesamten Familie. Leider müssen da alle durch. Vielleicht kann man sagen: „Die Kontrollen stehen an, ich bin ein bisschen nervös.“ Oder man berichtet den Kindern erst davon, wenn das Ergebnis vorliegt und Entwarnung gegeben werden kann.
Krebsrückfälle und die Entdeckung von Metastasen stellen für betroffene Familien eine enorme Herausforderung dar. Wie lässt sich so eine bedrückende Nachricht am besten den Kindern vermitteln? Es sollte direkt und aufrichtig kommuniziert werden. Wichtig ist dabei zu betonen, dass solche Rückschläge zwar schwerwiegend, aber nicht immer unüberwindbar sind.
Ein Schlüsselaspekt in der Kommunikation mit Kindern ist der Fokus auf Hoffnung. Es sollte klargestellt werden, dass ein Rückfall nicht die Regel, sondern die Ausnahme darstellt. Mit dem Hinweis, dass 60 % aller Krebserkrankungen heilbar sind (einige sogar trotz eines Rezidivs), kann diesen schweren Informationen eine Perspektive gegeben werden. Das Beispiel des Radprofis Lance Armstrong, der eine metastasierte Krebserkrankung überwunden hat, dient als Beleg dafür, dass selbst in scheinbar aussichtslosen Situationen Heilung möglich ist.
Die emotionale Belastung nach der Diagnose eines Rezidivs kann erdrückend sein. In solchen Momenten mag es nicht der richtige Zeitpunkt sein, mit den Kindern zu sprechen. Man sollte einen Moment abwarten oder eine Nacht drüber schlafen, um emotional etwas gefestigter zu sein, und somit den Kindern eine Stütze sein zu können. Wenn die Kinder allerdings wissen, dass der Papa/die Mama einen Termin beim Arzt hat, sollte man danach auch mit den Kindern darüber reden. Die Kommunikation sollte ehrlich, aber bedacht erfolgen, um den Kindern nicht unnötig Angst zu machen.
Bei einem Rezidiv kann das Thema Tod und Sterben als Option in den Raum treten. Für die Erwachsenen ist es wichtig, sich Gedanken darüber zu machen, was im schlimmsten Fall zu tun wäre. Für Kinder und Jugendliche ist es ebenfalls von Bedeutung, einen Plan zu haben, sobald sie sich Sorgen machen. Solange jedoch alle Familienmitglieder damit zurechtkommen, den Tag so zu nehmen, wie er ist, und nicht ständig an den möglichen Tod denken, ist ein Plan nicht unbedingt nötig.
Wenn ein Elternteil verstirbt, erhält automatisch das andere Elternteil das Sorgerecht, unabhängig vom Familienstatus. Probleme können auftreten, wenn die Kinder zu diesem Elternteil keinen oder einen schlechten Kontakt haben. In solchen Fällen, insbesondere wenn Gründe wie Alkoholismus, Gewalttätigkeit oder Unzuverlässigkeit vorliegen, sollte der noch lebende Elternteil frühzeitig Kontakt mit dem Jugendamt aufnehmen. Gemeinsam kann dann besprochen werden, ob die Kinder beispielsweise zu Großeltern, Freunden oder Geschwistern kommen können. Ab einem Alter von 15 Jahren haben Jugendliche mehr Mitspracherecht und können gegebenenfalls auch in eine Jugendwohnung ziehen. Bei jüngeren Kindern kann es jedoch zu einem Kampf um das Sorgerecht kommen.
Wenn ein alleinerziehender Elternteil verstirbt, stellen sich viele Fragen bezüglich der Zukunft des Kindes. Zunächst wird geprüft, ob ein anderer Elternteil existiert, der die Vaterschaft anerkannt hat, da das Kind in diesem Fall zu diesem Elternteil kommen könnte. Sollte dies nicht der Fall sein, tritt das Vormundschaftsgericht in Aktion. Ein Richter oder eine Richterin prüft dann die familiären Verhältnisse. Dabei wird geschaut, ob es andere Familienmitglieder gibt, die bereit wären, das Kind aufzunehmen. Ebenso wird berücksichtigt, ob der verstorbene Elternteil Wünsche bezüglich der Unterbringung des Kindes geäußert hat. In extremen Notfällen, wenn keine andere Unterbringungsmöglichkeit gefunden wird, kommt die Unterbringung in einem Heim in Betracht. Natürlich wird vorher intensiv geprüft, ob Paten, Freunde der Familie oder andere nahestehende Personen die Verantwortung und Sorge für das Kind übernehmen könnten.
Wenn absehbar ist, dass ein Elternteil sterben wird, muss dies den Kindern/Jugendlichen kommuniziert werden. Ab dem Kindergartenalter kann man anfangen über den Tod zu sprechen. Dafür gibt es schöne Bilderbücher, die man sich gemeinsam anschauen kann, um überhaupt Ideen zu bekommen, denn gerade die jüngeren Kinder haben möglicherweise noch kein Konzept von Tod und Sterben. Es ist wichtig zu vermitteln, dass die verbleibende Zeit begrenzt ist und man gemeinsam überlegen sollte, wie diese gestaltet werden kann.
Wichtig ist, dass die Kinder auf den Tod des Elternteils vorbereitet sind und die Möglichkeit haben, Abschied zu nehmen und gegebenenfalls auch beim Sterben dabei sein können – nicht zwingen, aber einladen. Dabei sollten sie von einer Person begleitet werden, die nicht unmittelbar involviert ist (wenn der Vater stirbt, ist das nicht die Mutter, da sie mit sich selbst und dem Vater beschäftigt ist), damit sie bei Bedarf gehen können, wenn es doch zu viel wird. Diese Begleitperson sollte für das Kind da sein, egal ob der Todesfall zu Hause, im Krankenhaus oder im Hospiz eintritt. Das Kind sollte in dieser Situation nicht allein sein, es sei denn, es möchte sich bewusst zurückziehen. Dennoch sollte jemand in der Nähe sein, um bei Bedarf für das Kind da zu sein und es zu trösten.
Es gibt verschiedene Meinungen darüber, ob Kinder einen verstorbenen Elternteil sehen sollten oder nicht. In den meisten Fällen wird empfohlen, Kindern diese Möglichkeit zu geben. Es gibt ein paar Ausnahmen, wenn jemand nach einem Unfall sehr entstellt ist oder wenn jemand lange auf der Intensivstation beatmet worden ist. Die Ärzte und die Erwachsenen haben dafür einen Blick, ob das noch nach der Mama oder dem Papa aussieht. Wenn der Verstorbene sehr fremd, z. B. sehr aufgedunsen aussieht, dann sollte man es sich überlegen, vor allem bei kleineren Kindern. Jugendliche könnte man mit Vorbereitung sogar auch in diesem Fall mitnehmen.
Für Kinder (und auch Jugendliche) ist das Sehen des verstorbenen Elternteils wichtig, um mit der Realität des Todes umzugehen und eigene Vorstellungen und Ängste zu beruhigen. Kinder machen sich Gedanken, wenn sie den Papa oder die Mama nicht sehen dürfen, wie er/sie aussehen muss. Dann entwickeln viele Kinder Monstervorstellungen. 99 % der Toten sehen friedlich aus, entspannt und ruhig. Manche sehen oftmals friedlicher aus als noch in den letzten Stunden davor. Dieser Anblick eines friedlich aussehenden Verstorbenen kann Kindern helfen, ein beruhigendes letztes Bild zu behalten und den Tod als Teil des Lebens zu verstehen. Dieses Vorgehen widerlegt ältere Annahmen, dass der Anblick des Toten Kinder zu sehr belasten könnte.
Viele Patienten sind schockiert, wenn sie von einer unheilbaren Krebserkrankung erfahren. Dank des medizinischen Fortschritts gibt es jedoch inzwischen Krebsarten, die wie chronische Erkrankungen behandelt werden können, sodass Patienten eine normale Lebenserwartung haben. Für die Familie bedeutet dies, sich auf eine dauerhafte Therapie einzustellen. Wichtig ist eine offene Kommunikation darüber, welche Behandlungen anstehen, wie sie ablaufen und was zu erwarten ist. Da Krebspatienten oft ein geschwächtes Immunsystem haben, muss die Familie Rücksicht nehmen und Infektionsrisiken minimieren. Dies erfordert Verständnis und Anpassung des Alltags, gerade auch von Kindern und Jugendlichen. Eltern sollten klar kommunizieren und gegebenenfalls an die Vorsichtsmaßnahmen erinnern, wie zum Beispiel das Bewahren eines angemessenen Abstands, wenn jemand hustet.
Die Fortschritte in der medizinischen Forschung haben dazu geführt, dass viele Krankheiten, die noch vor einigen Jahrzehnten tödlich waren, heute als chronische Zustände gehandhabt werden können. Dies ermöglicht es Eltern, trotz ihrer Erkrankung bei ihren Kindern zu sein und wichtige Lebensmomente, einschließlich der Pubertät, gemeinsam zu erleben. Diese Entwicklung birgt zwar auch Herausforderungen, bietet aber gleichzeitig neue Hoffnungen und Möglichkeiten für das Familienleben.