In der Tumortherapie kommen verschiedene Medikamente zum Einsatz, abhängig von der Art des Tumors und dessen Wachstumsgeschwindigkeit. Chefapothekerin Dr. Anne Busch vom Universitätsklinikum Tübingen erläutert die Hauptgruppen der Medikamente und ihre Wirkungsweise.
Dr. Anne Busch
Fachapothekerin für Klinische Pharmazie und Pharmazeutische Analytik, Chefapothekerin am Universitätsklinikum Tübingen
Dr. Jens Stäudle
Leiter der Krebsberatungsstelle LINA am Robert Bosch Krankenhaus Stuttgart
Hauptgruppen der Medikamente in der Tumortherapie:
Einsatz verschiedener Medikamente:
Chemotherapie und ihre Nebenwirkungen:
Umgang mit Übelkeit und Erbrechen:
Fatigue-Syndrom:
Mukositis/Stomatitis:
Verdauungsprobleme:
Hautveränderungen:
Nervenschädigungen durch Chemotherapie:
Zu den wichtigsten Medikamentengruppen in der Tumortherapie zählen:
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Mehr InformationenJede Medikamentengruppe hat einen spezifischen Angriffspunkt, um das Wachstum von Tumorzellen zu hemmen:
Diese Medikamente bewirken den Einbau falscher Bausteine in die DNA, wodurch sich diese nicht mehr replizieren (verdoppeln) kann. Dies führt zum Zelltod, gerade bei schnell teilenden Zellen, wie beispielsweise Tumorzellen.
Bei dieser Gruppe wird eine zusätzliche Stoffgruppe an die DNA angehängt, was die Zellteilung verhindert.
Diese Medikamente hemmen das Enzym Topoisomerase, das für die Entwirrung der DNA während der Zellteilung zuständig ist. Ohne dieses Enzym kann die DNA nicht entwirrt werden, und die Zelle stirbt ab.
Diese Stoffe greifen in verschiedenen Phasen der Zellteilung (Mitose) an und führen so zum Zelltod.
Diese seit langem eingesetzten Medikamente wirken auf die DNA und RNA der sich teilenden Zellen und führen ebenfalls zum Absterben der Tumorzellen.
Da sich nicht alle Tumorzellen gleichzeitig in derselben Phase der Zellteilung befinden, ist es notwendig, verschiedene Medikamente einzusetzen oder die Behandlung in mehreren Zyklen durchzuführen. Die sogenannte Log-cell-kill-Hypothese besagt, dass durch die Anwendung verschiedener Stoffe oder durch mehrere Behandlungszyklen über einen längeren Zeitraum (z.B. alle zwei, drei oder sechs Wochen) nach und nach alle Tumorzellen in den verschiedenen Stadien der Zellteilung erfasst und vernichtet werden können.
Chemotherapeutische Medikamente greifen in die Zellteilung ein und treffen dabei nicht nur den Tumor, sondern auch gesunde, sich schnell teilende Zellen wie Haar-, Haut- oder Schleimhautzellen. Dadurch entstehen die typischen Nebenwirkungen einer Chemotherapie, die so lange anhalten, bis sich die betroffenen Zellen erholt haben.
Zu den akuten Nebenwirkungen zählen häufig:
Das Auftreten und die Intensität der Nebenwirkungen hängen von der Art und Dosis der verabreichten Chemotherapeutika ab. Manche Substanzen verursachen beispielsweise dosisabhängig starke Übelkeit und Erbrechen. Zum Beispiel macht Cyclophosphamid bei einer Dosis über 1000 ein sehr hohes emetogenes Potenzial. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass der Patient erbrechen muss. Bei einer geringeren Dosis, die peroral appliziert wird, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering. Haarausfall ist auch dosisabhängig, aber nicht jedes Chemotherapeutikum ruft Haarausfall hervor. Es gibt gezielte Substanzen, die das verursachen können.
Patienten sollten vor der Therapie über mögliche Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen aufgeklärt werden. Es gibt wirksame Medikamente zur Vorbeugung und Behandlung, die auch noch 2-3 Tage nach der Chemotherapie eingenommen werden können. Bestimmte Faktoren wie Alter über 35, Reisekrankheit oder Angst vor dem Erbrechen können das Risiko erhöhen.
Die frühere Vorstellung, dass Chemotherapie immer massive Übelkeit und Erbrechen auslöst, ist der Vergangenheit angehörig. Es gibt unterschiedliche Medikamente, die die Übelkeit eindämmen können, z. B. Kombipräparate (Cortisone) oder Tetrahydrocannabinol Präparate, die es auch als Tropfenform gibt, die nicht nur appetitanregend wirken, sondern auch gegen Übelkeit wirken.
Deshalb wichtig für die Erkrankten: Bei starker Übelkeit unbedingt auf die Ärzte zugehen. Es gibt Medikamentengruppen, die man unter Umständen noch einsetzen kann.
Betroffene sollten ermutigt werden, trotz Übelkeit regelmäßig kleine, leicht verdauliche Mahlzeiten zu sich zu nehmen, um einer verstärkten Magensäureproduktion entgegenzuwirken. Hilfreich können auch Ingwertee, Pfefferminztee (keine Getränke, die mit Zucker oder Süßungsmitteln angereichert sind), Kaugummi kauen (um die Speichelproduktion anzuregen) oder Ablenkung durch leichte moderate Sporttherapie, Meditation oder beruhigende Geräusche (z.B. Meeresrauschen) sein.
Ein häufiges Problem während der Chemotherapie ist das Fatigue-Syndrom, eine anhaltende Kraftlosigkeit, Müdigkeit und Erschöpfung selbst bei leichten Aktivitäten. Es ist wichtig, dies nicht mit einer Depression zu verwechseln, sondern als therapiebedingte Nebenwirkung zu erkennen und entsprechend zu unterstützen.
Fatigue tritt bei 45 bis 96% der Chemotherapie-Patienten auf. Der Verlauf ist individuell unterschiedlich und kann sich im Laufe der Behandlung verbessern oder verschlechtern. Einflussfaktoren wie die Chemotherapie selbst und der Hormonstatus können Fatigue begünstigen. Gegenmaßnahmen sind moderate Sporttherapie, Lichttherapie und die Einnahme von Vitamin-Supplementen (D3, B12, B6) nach vorheriger Bestimmung des Vitamin-Status.
Einen ausführlichen Beitrag zum Thema Fatigue finden Sie hier.
Mukositis und Stomatitis bezeichnen entzündliche Veränderungen der Mundschleimhaut, die durch die Chemotherapie hervorgerufen werden können. Es werden Radikale freigesetzt, die die Basalschicht der Schleimhaut angreifen. Es gibt vier Stadien der Mukositis, die von leichten Läsionen und Schluckbeschwerden bis hin zu starken Schmerzen und Ernährungsproblemen (Ernährung eventuell über eine Magensonde) reichen. Nach Beendigung der Chemotherapie regeneriert sich die Schleimhaut in der Regel schnell.
Zur Vorbeugung von Mukositis sollten Patienten vor Beginn der Therapie einen Zahnarzt aufsuchen, um mögliche Probleme (freiliegendes Zahnfleisch oder lockere Krone) zu behandeln. Eine gute Mundhygiene, der Verzicht auf Rauchen und Alkohol sowie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sind ebenfalls wichtig. Lippenpflege ist auch nicht zu unterschätzen, da wenig Speichel produziert wird, man einen trockenen Mund hat, und man man sich häufig die Lippen leckt. Dementsprechend können Leckekzeme entstehen. Bei der Ernährung sollte die Mundschleimhaut nicht gereizt werden und auf säurehaltige Lebensmittel wie Tomaten, Zitrusfrüchte, Sauerkraut, eingelegtes Gemüse, Dressing verzichtet werden. Stattdessen empfiehlt sich Schonkost wie gegartes Gemüse, Obst und Mus. Zur Linderung können Kamillentee, Pfefferminztee und Kochsalzlösung zum Spülen verwendet werden. Bei starker Mukositis kann eine Ernährung über Trinknahrung notwendig sein.
Bei fortgeschrittenen Läsionen empfiehlt sich eine Dexpanthenol-Gurgel-Lösung. Oft bildet sich Mundsoor (Pilzinfektion) da die Schutzschicht weg ist, dann arbeitet man mit antimykotischen Substanzen. Künstlicher Speichel kann Mundtrockenheit lindern.
Die Symptome einer Mukositis können 5 bis 10 Tage nach einer Chemotherapie und drei bis fünf Wochen nach der Bestrahlung auftreten und klingen 10 bis 14 Tage nach Absetzen der Therapie ab. Man merkt aber eine tägliche Besserung, da sich die Zellen sehr schnell teilen. In schweren Fällen kann allerdings eine künstliche Ernährung notwendig sein. Es ist wichtig, alle Symptome dem ärztlichen Team mitzuteilen, damit rechtzeitig gegengesteuert werden kann.
Chemotherapie kann zu Durchfall oder Verstopfung (Obstipation) führen. Das ist von Patient zu Patient individuell. Jeder verträgt die Therapie anders und dementsprechend kann man unterschiedlich intervenieren.
Bei Durchfall helfen neben Medikamenten Schonkost (z.B. geriebener Apfel, Pektin) und beruhigende Getränke wie Kamillentee. Gegen Verstopfung sollte ballaststoffreiche Ernährung und ausreichend Flüssigkeit eingenommen werden. Zusätzlich können Medikamente zum Einsatz kommen. Das ärztliche und pflegerische Personal überwacht den Stuhlgang der Patienten regelmäßig.
Hautzellen teilen sich relativ schnell. Dementsprechend haben viele Chemotherapien auch dort Einfluss. Es kann zu Haarausfall (Alopezie), Nagelveränderungen (Nägel verformen oder verfärben sich), akneähnlichen Hautveränderungen, allergischen Reaktionen und zum Hand-Fuß-Syndrom kommen. Das sind alles Bereiche, die bei einer Chemotherapie die Haut betreffen.
Das Hand-Fuß-Syndrom entsteht, wenn durch die Chemotherapie freigesetzte Substanzen über den Schweiß abgegeben werden und Radikale bilden. Das führt zu Hautläsionen an Händen und Füßen. Es bilden sich Blasen, die sich mit Flüssigkeit füllen, rot werden und jucken. Die Haut löst sich von Händen und Füßen ab. Die betroffenen Stellen können sehr schmerzhaft sein, bis sie abheilen.
Das Hand-Fuß-Syndrom ist nicht mit der Infektionskrankheit zu verwechseln, die Kinder bekommen.
Gegen den Juckreiz können cortisonhaltige Präparate eingesetzt werden. Zur Pflege der Haut eignen sich harnstoffhaltige Salben, die Feuchtigkeit spenden. Dadurch kann sich die Haut schneller regenerieren. Bei Schmerzen können zusätzlich Schmerzmedikamente verabreicht werden, die individuell auf den Patienten abgestimmt sind.
Es gibt zwei Arten von Nervenschädigungen durch Chemotherapie:
Hierbei ist die Reizweiterleitung gestört, was zu Kribbeln, Pieksen und Brennen in den Gliedmaßen, Fingern und Zehen führen kann. Diese Symptome können nach Beendigung der Chemotherapie wieder abklingen.
Weitere Informationen zu Polyneuropathien finden Sie in unserem Extra-Beitrag hier.
Wenn sich die Chemotherapie-Substanzen im Rückenmark oder Gehirn ansammeln, können Langzeitfolgen wie Kribbelparasthesien in Händen und Füßen und Schmerzsyndrome (Allodynie) auftreten. Diese Symptome können ebenfalls wieder verschwinden, benötigen aber mehr Zeit als bei der akuten Polyneuropathie.