In diesem Interview sprechen wir mit Herrn Dr. Andreas Ott vom Kinderwunschzentrum in Ludwigsburg über das Thema Kinderwunsch nach einer Krebserkrankung. Wie geht es nach der Therapie weiter?
Dr. med. Andreas Ott
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin vom Kinderwunschzentrum in Ludwigsburg
Karin Strube
Mitgründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Strube Stiftung
Wenn die Therapie abgeschlossen ist, sollte man vermutlich nicht direkt anfangen, seinen Kinderwunsch umzusetzen bzw. eine Befruchtung zu starten. Wie lange sollte man sinnvollerweise warten?
Das hängt sehr stark von der individuellen Situation ab. Was für ein Tumor wurde diagnostiziert? Welche Therapie wurde durchgeführt? Da es viele unterschiedliche Ausgangssituationen gibt, kann man von keiner allumfassenden Regel sprechen.
Generell sagt man: Wenn nach fünf Jahren, nachdem die Therapie abgeschlossen ist, keine Krebserkrankung wiedergekommen ist, besteht eine relativ hohe Chance, dass auch später kein Rezidiv mehr kommt.
Nach fünf Jahren könnte man auf jeden Fall eine Schwangerschaft anstreben. Allerdings ist es so, dass man heute je nach Alter der Patientin und je nach individueller Situation durchaus auch schon früher eine Schwangerschaft anstreben kann und eine Antihormontherapie, die zum Beispiel im Anschluss von Brustkrebsbehandlungen stattfindet, fortsetzt, nachdem man das Kind bekommen hat.
Normalerweise gibt man über fünf Jahre eine Antihormontherapie nach Abschluss einer Behandlung bei Brustkrebs. Heute wird das oft so gemacht, dass man schon nach zweieinhalb oder drei Jahren diese Therapie vorübergehend absetzt, die Schwangerschaft ermöglicht und dann diese Antihormontherapie nach der Schwangerschaft und nach dem Abstillen fortsetzt.
Die ersten Daten, die es dazu gibt, zeigen, dass die Sicherheit für die Patientin vergleichbar gut ist, als wenn man die kompletten fünf Jahre abgewartet hätte.
Man hat also eine Unterbrechung von neun bis zwölf Monaten und macht danach weiter. Und so ist das auch bei anderen Tumorerkrankungen. Das muss individuell mit dem onkologischen Zentrum abgeklärt werden, ob eventuell auch eine frühere Möglichkeit vertretbar wäre, eine Schwangerschaft herbeizuführen und eine Erhaltungstherapie oder eine entsprechende Sicherungsmaßnahme später fortzuführen.
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Mehr InformationenManchmal muss man noch sehr lange, teilweise sogar für immer eine Art Erhaltungstherapie oder Antikörpertherapie machen. Zählt das zur Therapie oder wie wird das berücksichtigt?
Das kommt auf die Art der Erhaltungstherapie an. Wenn es sich um eine Antihormontherapie handelt, ist es durchaus möglich zu pausieren. Aber es gibt auch andere Tumoren, bei denen eine Unterbrechung weniger empfehlenswert ist. Letztlich ist es immer eine Risikoabwägung, die zwischen dem Onkologen und der Patientin gemacht werden muss.
Absolute Sicherheit gibt es nie in dem Bereich. Hier sind einfach ein guter Austausch, eine gute Aufklärung und eine gute Abwägung notwendig. Denn es sind ja zwei wichtige Ziele, die man realisieren möchte: Eine Familie zu gründen und dafür zu sorgen, dass die Tumorerkrankung nicht wiederkommt. Hier muss man einen guten Ausgleich zwischen den Interessen schaffen.
Wer spricht mit wem? Onkologe, Kinderwunschspezialist und die Patientin oder der Patient?
Im Idealfall ist das ein interdisziplinäres Team, das zusammenarbeitet. Dafür gibt es Fallkonferenzen/Tumorboards, in denen sich die entsprechenden Experten austauschen und für jede einzelne individuelle Patientin die beste Lösung herausfinden müssen.
Wenn Eizellen eingefroren wurden (sprich eine Tumorerkrankung bei der Frau vorlag), ist immer eine Maßnahme der künstlichen Befruchtung notwendig, um diese Eizellen zu befruchten. Hier ist die ICSI-Methode notwendig. Bei der ICSI-Methode nimmt man eine einzelne Eizelle unters Mikroskop und sucht eine einzelne Samenzelle aus und diese Samenzelle wird explizit in die Eizelle reingepiekst. Die Eizelle wird mit der Samenzelle befruchtet. Eine andere Möglichkeit mit eingefrorenen Eizellen gibt es nicht.
Die eingefrorenen Samenzellen können nicht einfach in den Körper der Frau gegeben werden. Das wird in der Regel nicht funktionieren, weil die Menge der Samenzellen, die man aufgrund der begrenzten Zeit vor dem Start der Tumortherapie zur Verfügung hatte, nicht ausreichen wird, um im natürlichen System auf natürlichem Weg eine Schwangerschaft herbeizuführen. Deshalb wird man die Befruchtung immer außerhalb des Körpers durchführen.
Es gibt noch die Möglichkeit mit eingefrorenem Eierstockgewebe zu arbeiten. Wenn man das im Vorfeld gemacht hat, ist eine kleine Operation notwendig, um diese eingefrorenen Eierstockgewebestücke zurückzutransplantieren. Danach muss im Prinzip nichts gemacht werden. Man muss nur abwarten und hoffen, dass dieses eingefrorene Gewebematerial wieder an Aktivität gewinnt und sich wieder auf ganz natürlichem Wege Eizellen bilden und es dann auch zu Eisprüngen kommt.
Leider ist das Verfahren immer noch relativ experimentell und eigentlich nur für bestimmte Einzelfälle geeignet. Aber nicht für die große Masse der Patienten.
Grundsätzlich gesprochen haben Krebsüberlebende sogar etwas bessere Erfolgschancen als Patienten, die aus anderen Gründen eine Kinderwunschbehandlung machen müssen. Die Krebspatienten sind, was die Fruchtbarkeit betrifft, eigentlich gesunde Menschen. Die Notwendigkeit, Eizellen oder Spermien einzufrieren, kommt ja dadurch, weil eine onkologische Therapie geplant ist. Aber an sich sind es gesunde fertile Menschen während die Kinderwunschpaare normalerweise irgendein Problem mit der Fruchtbarkeit haben. Das macht die Sache schwieriger und reduziert in der Folge die Erfolgsraten. Die Erfolgsraten werden vergleichbar gut sein, wie bei anderen Behandlungsmethoden auch.
Ganz wichtig ist, dass man offen und ehrlich mit den Patienten spricht und sie über die zu erwartenden Erfolgschancen gut aufklärt. Ganz generell kann man sich merken, dass 50% der Patienten mit zwei Befruchtungsversuchen/Behandlungszyklen zum Erfolg kommen. Es gibt aber natürlich auch Fälle, bei denen nach vier oder fünf Behandlungen immer noch keine Schwangerschaft eingetreten ist.
Und gerade bei Patienten, bei denen man mit eingefrorenen Eizellen arbeitet, ist irgendwann die Grenze erreicht, dass keine Eizellen oder Spermien mehr vorhanden sind und weitere Behandlungen nicht mehr möglich sind. Das muss einfach sehr individuell besprochen werden. Wenn man mit eingefrorenen Eizellen arbeitet, kann man in der Regel nicht mehr als zwei bis vier Behandlungsversuche machen.
Wenn mit eingefrorenen Eizellen oder Spermien eine Schwangerschaft entsteht, ist die Schwangerschaft genau wie die, die auf natürlichem Wege entstanden wäre. Der Schwangerschaftsverlauf, die Risiken bei der Schwangerschaft und auch die Geburt entsprechen den Risiken, die auch eine ganz normal eingetretene Schwangerschaft haben. Da gibt es keine Unterschiede.
Das kommt darauf an, was genau an der Brust gemacht wurde. Es gibt Fälle, bei denen nur ein kleiner Knoten entfernt wurde, aber das Brustgewebe im Großen und Ganzen unbeeinträchtigt geblieben ist. Diese Patienten können stillen.
Es gibt aber auch andere Fälle, bei denen mehrere Krebsknoten in der Brust waren und das komplette Brustdrüsengewebe entfernt und eventuell ein Implantat eingesetzt wurde. In diesen Fällen ist das Stillen nicht mehr möglich. Das hängt von der individuellen Therapie bei dieser Patientin ab.
Wenn die Möglichkeit besteht, dass die Brust Milch bilden kann, kann man das auch verfüttern bzw. das Kind stillen.
Bei Kindern macht man in der Regel eine solche Testung nicht. Eine genetische Testung wird bei einem Kind erst dann gemacht, wenn es selbst einwilligungsfähig ist. Es gibt das Gendiagnostikgesetz, welches jedem Menschen das Recht auf Wissen zubilligt. Aber dieses Gesetz beinhaltet auch das Recht auf Nichtwissen. Ein Mensch darf sich auch entscheiden, etwas nicht wissen zu wollen. Deshalb wird kein Genetiker bei einem Kind oder bei einem Jugendlichen diese Untersuchung durchführen. Man wird immer warten, bis das Kind rechtlich einwilligungsfähig (volljährig) ist. Wenn eine genetische Veranlagung für Brust- und Eierstockkrebs festgestellt wurde, kann diese Untersuchung mit der Volljährigkeit gemacht werden. Ob das Brustdrüsengewebe und in dem Zuge oft auch die Eierstöcke entfernt werden, weil ein hohes Entartungsrisiko und hohes Krebsrisiko bei diesen Patientinnen bestehen, wird zusammen mit dem Zentrum entschieden, wo der Patientin betreut wird.
Und da bietet es sich natürlich an, im Vorfeld Eizellen einzufrieren, um die Fertilität für spätere Zeiten zu erhalten.
Aus biologischen Gründen können diese eingefrorenen Eizellen nur mit der ICSI-Methode befruchtet werden: Man nimmt die einzelne Eizelle unters Mikroskop und sucht ein einzelnes Spermium aus. Mit einer ganz feinen Nadel bringt man dieses Spermium in die Eizelle ein und kann dadurch eine Befruchtung und eine ganz normale embryonale Entwicklung herbeiführen.
Die zweite Methode ist die konventionelle IVF-Methode. Bei dieser Methode bringt man die Eizelle und die Spermien zusammen und die Befruchtung findet quasi auf natürlichem Wege statt, nur außerhalb des Körpers. Diese Methode kann aber nur eingesetzt werden, wenn vorher die Samenzellen eingefroren waren, also wenn man auf eingefrorene Samenproben zurückgreifen kann.
Man testet ob die Samenzellen noch beweglich/vital genug sind. Wenn das der Fall ist, kann es unter Umständen ausreichend sein, dass man die Eizellen, die man bei der Frau gewonnen hat, direkt mit den Spermien zusammenbringt und die Befruchtung dann auf quasi natürliche Weise stattfindet.
Wenn die Eizellen vorher eingefroren waren und man mit frischen Spermien arbeitet, ist nur die ICSI, die etwas aufwendigere Labormethode möglich.
Unterm Strich ist das aber für das Patientenpaar relativ egal, denn es handelt sich hier nur um eine Methode im Labor. Die Behandlung drumherum ist für das Patientenpaar genau die gleiche.