Die Jugendlichen verstehen alles. Und man muss heute davon ausgehen, dass alle googeln. Sie werden sich unabhängig vom Gespräch mit den Eltern informieren und kontrollieren, ob sie die Wahrheit gehört haben. Wenn ein Wort in den Raum geworfen wird, muss man damit rechnen, dass sie nachschauen, was es ist und was es bedeutet. Man muss ihnen alles möglichst präzise erklären und ihnen Internetseiten zeigen, wo sie vernünftige Informationen bekommen, wie zum Beispiel bei der Deutschen Krebshilfe oder dem Deutschen Krebsinformationsdienst. Die Jugendlichen brauchen Informationen, die sie akzeptieren, die sie verstehen und die auch fundiert sind. Es gibt leider auch sehr viel Humbug im Netz.
Karin Strube
Mitgründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Strube Stiftung
Dipl.-Psych. Sylvia Broeckmann
Psychologische Psychotherapeutin
Psychoonkologin (DKG)
Kommunikation mit Jugendlichen (13-18 Jahre) über Krebs:
Verständnis und Unterstützung:
Umgang mit Details und Fragen:
Spannungen und Überfürsorglichkeit:
Schulische und soziale Aspekte:
Alltag und Abschluss:
Nein, sie konfrontieren meistens nicht die Eltern, sondern behalten die Infos für sich. Wenn die Jugendlichen merken, dass die Eltern nicht so gerne über das Thema sprechen, werden sie es von sich aus nicht ansprechen.
Man muss davon ausgehen, dass die Jugendlichen sogar mehr Informationen haben, als es die Eltern gerne hätten. Und darüber muss man im Gespräch bleiben, damit die Informationen aus einer verlässlichen Quelle stammen. Beim Lymphdrüsenkrebs gibt es zum Beispiel viele unterschiedliche Sorten. Wenn man Lymphom googelt, bekommt man katastrophale Fälle genauso wie „ist eigentlich gar nicht schlimm“. Das hilft niemandem. Man braucht realistische Informationen.
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Mehr InformationenWenn die betroffene Person das möchte, dürfen die Ärzte Auskunft geben. In erster Linie sind aber die Eltern die Ansprechpartner. Wenn es allerdings Gründe gibt, warum die Kinder misstrauisch sein könnten, zum Beispiel weil sie wichtige Dinge in anderen Zusammenhängen lange nicht erfahren haben und sich nicht darauf verlassen können, dass die Eltern wirklich sagen, was Sache ist, kann ein Gespräch mit dem Arzt hilfreich sein.
Man muss einen Termin mit ihnen vereinbaren. „Ich muss etwas Wichtiges mit dir besprechen. Wann kann ich das tun?“ Das Gespräch sollte nicht vor dem Schlafengehen stattfinden, danach muss noch irgendwas an Action passieren können. Am Wochenende, unter der Woche, am Nachmittag, aber nicht abends um acht.
Wenn der Jugendliche keinen Termin nennen kann, wird einer diktiert: „Es gibt etwas zu besprechen und das besprechen wir. Egal ob du das willst oder nicht.“ „Mache ich aber nicht, du kommst nicht in mein Zimmer.“ „Doch, ich komm in dein Zimmer. Und wenn ich die Sicherung rausdrehe, und dann ist der Strom weg.“ Solche Situationen kommen tatsächlich auch vor. Das ist aber glücklicherweise die Notfallvariante. Meistens ist das nicht nötig.
Die Wahrheit sagen: „Bei mir ist Krebs festgestellt worden. Deshalb steht folgender Plan: Ich bekomme eine Chemotherapie damit er kleiner wird, danach wird operiert und dann kommt Bestrahlung. Wird jetzt ein hartes halbes/dreiviertel Jahr, aber wir kriegen das hin.“
Davon kann man nicht ausgehen, aber die Jugendlichen wissen meistens, was Zellteilung ist. Und sie haben auch eine Idee davon, was Krebs ist. Wichtig ist klarzustellen, dass es viele unterschiedliche Krebssorten gibt. Ein Brustkrebs ist zum Beispiel nicht wie der andere. Deshalb nicht einfach Brustkrebs googeln, da bekommt man auch viel Blödsinn. Lieber zusammen den Arztbrief anschauen und dann gezielt googeln.
Das ist eine wichtige Frage, die unbedingt beantwortet werden soll: „Jetzt gibt es erst mal Krankengeld und Lohnfortzahlung, dann Krankengeld und dann ist der Papa oder die Mama wahrscheinlich wieder gesund.“ Und wenn das nicht der Fall ist, gibt es eine Rente oder der andere Elternteil fängt wieder an zu arbeiten oder die Großeltern springen ein… Es ist wichtig, dass es einen Plan gibt, der den Kindern hilft, einen positiven realistischen Ausblick in die Zukunft zu geben.
Das ist sehr unterschiedlich, aber wichtig ist wie bei allen Kindern, dass das Leben weitergeht. Jugendlichen ab ca. 16 Jahren sind auf dem Absprung und durch die Erkrankung von einem Elternteil werden sie eigentlich noch mal zurückgeholt. Sollen oftmals mehr helfen, fühlen sich oft auch loyal und wissen nicht, ob sie raus können, sollen, dürfen, müssen. Deshalb klar sagen: Dein Leben geht trotzdem weiter.
Bei einer Patientin hat der Sohn im Ausland angefangen zu studieren. und es kam die Frage von ihm auf: Darf er das überhaupt? Die Patientin hat zum Glück gesagt, dass er auf jeden Fall weiterstudieren soll. Natürlich vermisst sie ihn. Aber es ist normal, wenn die Kinder aus dem Haus gehen – ein lachendes und ein weinendes Auge. Aber letztlich müssen sie wissen: Natürlich sollen sie raus.
Nein, das kann nicht sein. Da muss eine andere Lösung her. Es hat nicht jeder Krebserkrankte einen helfenden Jugendlichen zu Hause und in diesen Fällen muss das trotzdem laufen. Kein Jugendlicher kann so wichtig sein, dass er unersetzlich wäre.
Eine Haushaltshilfe gibt es nur für Familien, in denen ein Kind unter zwölf ist und der betreuende Elternteil ausfällt oder der verdienende Elternteil ausfällt und dafür der andere einspringt. Wenn also die Betreuung fehlt, gibt es eine Haushaltshilfe, alle anderen bekommen keine.
Wenn der Jugendliche im Ausland studiert und man Unterstützung braucht, muss man das anders organisieren. Freunde, erweiterte Familie fragen, vielleicht auch in eine Kurzzeitpflege, wenn es ganz schlimm ist. Es kann auf jeden Fall nicht sein, dass die Unterstützung an einem Jugendlichen hängt!
Manchmal ist es so, dass die Jugendlichen merken, dass sie gebraucht werden und das von sich aus wollen. Wenn das in deren Plan reinpasst, sollen sie das machen. Aber sie sollen von nichts abgehalten werden.
Jugendliche recherchieren sehr viel. Dementsprechend ist es wichtig, bei der Wahrheit zu bleiben. Kann man alles offenlegen oder sollte man zurückhaltend sein?
Alle Fakten gehören auf den Tisch. Vermutungen nur, wenn sie von großer Bedeutung sind. Schlechtes Beispiel: „Ich hatte eine Kontrolluntersuchung und da sind drei Pünktchen auf der Leber festgestellt worden und ich weiß noch nicht, ob das Metastasen sind oder nicht.“ Da sollte man bis zur Abklärung warten. Oder: „Da sind drei Pünktchen auf der Leber, aber ich fange jetzt eine neue Stelle an, ich würde mich dann in einem halben Jahr drum kümmern.“ Sowas geht natürlich nicht.
Ist die Erkrankung erblich? Was passiert mit mir, wenn die Krankheit weiter fortschreitet? Welchen Einfluss hat das auf mein Leben? Wird das von einem Elternteil manchmal auch ein bisschen als egoistisch empfunden, wenn die Jugendlichen sehr intensiv an sich denken?
Das ist absolut in Ordnung. Aber es ist wichtig, darauf einzugehen und diese Fragen ernsthaft und ehrlich zu beantworten. Wenn die erkrankte Person eine realistische Chance auf Heilung hat, muss das kommuniziert werden. Aber wenn die Prognose unklar ist, braucht es auch eine klare Perspektive, z. B.: „Der Krebs wird vielleicht/wahrscheinlich nicht mehr geheilt werden, aber es gibt Antikörper, so schnell sterbe ich nicht.“
Manchmal gibt es aggressive Stimmungen zwischen Eltern und Jugendlichen. Und die werden in schwierigen Situationen meistens nicht besser. Wie kann man mit solch einer aggressiven Grundstimmung umgehen? War die aggressive Grundstimmung schon vor der Situation so, geht man gleich damit um, manchmal knallt es eben. Wenn diese Stimmung aber vorher nicht vorhanden war, muss man schauen, was dahintersteckt: Fühlt sich der Jugendliche überlastet? Soll er auf einmal neben den Abivorbereitungen auch noch die Küche machen und einkaufen? Hat er das Gefühl dem nicht gewachsen zu sein? Ist tatsächlich eine Überlastung da? Kann ich das als Mutter/Vater nachvollziehen oder denke ich: „Das kann er jetzt wirklich mal machen, da müssen wir verhandeln. Natürlich macht er das nicht gerne. Ich mache auch manche Sachen nicht gerne.“
Wenn die Jugendlichen quasi in die Elternrolle schlüpfen, ist das nicht gut. Da sollte man sie explizit daraus entlassen, wenn man das merkt. Man kann es auf jeden Fall würdigen: „Ich sehe, du gibst dir so viel Mühe und du machst so viel für uns. Das ist wirklich grandios. Aber jetzt fängt dein Leben wieder an.“
Heikle Geschichte. Auch da würdigen: „Ich sehe, du gibst dir echt viel Mühe, um mich zu entlasten. Aber ich bin die Mama und ich schaffe das.“ Diese Würdigungen müssen von Herzen kommen. Das Bemühen muss zutiefst anerkannt werden und sollte nicht nur eine Phrase sein.
Lehrer sollten unbedingt informiert werden mit der klaren Ansage: Nicht drauf ansprechen! Die Jugendlichen wollen das manchmal nicht, weil es uncool ist, wenn ein Elternteil zum Lehrer geht und sagt: „Bei uns zu Hause ist folgende Situation…“ Aber an der Stelle gilt: „Ich bin Erziehungsberechtigter und ich entscheide das.“
Wie geht man damit um, wenn Jugendliche die Schule ausfallen lassen, die Aufgaben nicht machen und es so zu Problemen kommt? Bei den Grundschülern ist das nicht so häufig aber bei den Jugendlichen kommt das schon öfter vor. Da sollte keine Schonhaltung eingenommen werden. Hausaufgaben sind Hausaufgaben und müssen gemacht werden und zur Schule wird gegangen. Elternteil krank oder nicht krank.
Man sollte natürlich hinterfragen: Was treibt dich da weg? Bist du unter Druck? Hast du Angst? Vielleicht gibt es zusätzliche Themen: Mobbing in der Schule, Liebeskummer, etc. Aber Schule sausen lassen oder Ausbildung schleifen lassen wegen Krebserkrankung ist eine Ausrede, die nicht geht.
Es gibt Krebsberatungsstellen wo Eltern Hilfe suchen können oder man die Jugendlichen hinschicken kann. Diese haben manchmal Angebote speziell für Kinder/Jugendliche von Krebs erkrankten Eltern. Die Krebsberatungsstellen gibt es in verschiedenen Städten in Deutschland.
Nein. Es gibt Angebote, wie z. B. von den Waldpiraten, die ab und zu mal ein Wochenende anbieten. Oder Tanzwochenenden speziell für Mütter mit Töchtern (Jungs haben da eher kein Interesse). Elana Mannheim ist da führend. Das sind sozusagen informelle Selbsthilfegruppen, das heißt die Kinder/Mädchen/Jugendlichen vernetzen sich darüber häufig.
Auch im Social Media Bereich gibt es einzelne Angebote wie zum Beispiel die Flüsterpost von Herrn Trabert, aber die werden relativ wenig genutzt. Die Vernetzung erfolgt meist über ein konkretes Gegenüber, weil sie sich dann kennen.
Alltag muss stattfinden. Alltag auch inklusive Freunden. Die Jugendlichen sollen zu ihren Freunden und auf ihre Partys gehen. Wenn man beobachtet, dass der Sohn oder die Tochter immer bei seinem Papa oder seiner Mama sitzenbleibt, weil er sie/ihn nicht aus den Augen lässt, sollte man auf jeden Fall mit dem Jugendlichen sprechen. Fürchtet sie/er irgendwas? Und dann einfach auch mal ein bisschen rausschubsen. Das müssen sich die Eltern bewusst machen, denn es ist ja auch praktisch, wenn das Kind beim Papa sitzt und der andere Elternteil was anderes machen kann. Aber es ist nicht gut. Immer eine gute Balance zu finden zwischen da sein und auch mal weg sein.
Seid nett, aber lebt euer Leben!