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Meine Freundin hat Krebs – wie wir darüber sprechen

Wenn die beste Freundin Krebs hat, sind Gespräche plötzlich nicht mehr so einfach! Was darf ich sagen? Was könnte sie belasten? Wie kann ich sie aufmuntern? Wie kann ich helfen? Ist es eine gute Idee von meinen Google-Recherchen zu erzählen? Was sagt man denn einem Krebskranken? Wie ist der Umgang mit einer krebskranken Freundin?

In diesem Interview erzählen die beiden Freundinnen Jenny und Verena, wie sie diese Herausforderung angegangen sind und wie sie sie gemeistert haben! Für alle Betroffene sind hier viele gute Anregungen dabei!

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Wann hast du deinen Freunden von der Diagnose erzählt?

Jenny (Patientin): Wenn man die Diagnose Krebs bekommt, ist es schwierig diese Diagnose zu akzeptieren und damit umzugehen. Diese Diagnose dann zu kommunizieren ist auch alles andere als einfach. Innerhalb der Familie ist es etwas leichter. Aber bei Freunden? Welche Informationen möchte man zu welchem Zeitpunkt preisgeben? Ich habe meinen Freunden relativ spät von der Krankheit erzählt. So kam es oft zu Rückfragen und ich habe mich teilweise in den Gesprächen verheddert. Deshalb würde ich rückwirkend betrachtet die Diagnose früher und in vollem Umfang kommunizieren.

Wie hat deine Freundin die Diagnose dir mitgeteilt?

Verena (Freundin): Sie hat mich auf der Rückfahrt von einer Dienstreise angerufen und von der Krankheit erzählt. Da gehen einem 1000 Gedanken durch den Kopf: Wie geht es ihr damit? Was kann man tun? Wie verändert sich die Freundschaft? Ist die Beziehung so gefestigt, dass man diese Fragen stellen kann?

Meine Freundin wirkte sehr sortiert, was mir sehr geholfen hat. Ich wäre wahrscheinlich selbst überfordert gewesen da ich mich auch erst einmal sortieren musste.

Wie hast du deinen Freunden von der Diagnose erzählt?

J: Ich habe mich entschieden mit den Freunden das persönliche Gespräch zu suchen. Zwar gibt es zahlreiche virtuelle Möglichkeiten aber für mich war es zu persönlich und auch zu hart, eine solche Nachricht per WhatsApp weiterzuleiten. Es war ein positives Gefühl, die Informationen, die ich erst zurückgehalten hatte, rauszulassen.

Wie hast du auf die Krankheit deiner Freundin reagiert?

V: Ich war sehr geschockt, da meine Freundin die taffe, fitte, sportliche Karrierefrau war. Man denkt immer, dass es einen selbst oder seine Freunde nicht trifft. Und dann ist es auf einmal so nah. Das beschäftigt einen sehr und man macht sich Gedanken darüber was passiert, wenn es einen selbst trifft. Man denkt über das eigene Leben nach: Gibt man der Arbeit oder unwichtigen Dingen zu viel Bedeutung? Man reflektiert anders.

Wie und wie oft habt ihr über die Krankheit gesprochen?

V: Ich habe ihr die Möglichkeit gegeben, alle Treffen von ihrer Seite aus zu takten. Beruhigend für mich war, dass ihr Bruder und ihr Ehemann für sie da waren und diese wussten, dass sie mich einbinden können und sollen, wenn ich das Gefühl hatte, dass sie sich nicht meldet.

J: Ich wollte proaktiv kommunizieren. Ich habe allen gesagt, dass ich mich melde, wenn es neue Erkenntnisse oder Befunde gibt. Für mich war es wichtig erst mal die eigene Situation in der Therapie zu verstehen ohne dass ich jemandem eine Antwort schuldig bin.

Wie war die Kommunikation deiner Freundin für dich?

V: Für mich war es sehr hilfreich, dass sie so informiert über ihre Krankheit war und mich da auch mitgenommen hat. Für mich war es wichtig informiert zu sein, denn durch das interessierte Zuhören konnte man wichtige gezielte Fragen stellen. Sie hatte im Gegenzug dazu jemanden, mit dem sie sich auf Augenhöhe austauschen konnte.

Was war besonders wichtig in der Kommunikation mit Freunden?

J: Es war wichtig, dass ich nicht nur noch als Schwerkranke angesehen wurde. Ich wollte weiterhin gleichwertig im Austausch bleiben. Ich habe mir weiterhin gerne die Themen der Freunde angehört aus dem Alltag, der Arbeit oder mit den Kindern. Es war wichtig, dass wir weiterhin auf Augenhöhe kommuniziert haben. Ich wollte nicht den Anschluss verlieren an das Leben meiner Freundin. Aber natürlich musste ich auf meinen eigenen Energiehaushalt achten und teilweise ein bisschen zurückfahren.

Hat die Krankheit eure Freundschaft verändert?

V: Ich habe versucht ganz normal zu bleiben. Wir wollten die Treffen so machen wie immer. Natürlich habe ich der Krankheit Raum gegeben aber auch nicht zu viel. Manchmal war ich unsicher, ob ich meine kleinen Probleme ansprechen kann, wenn gegenüber das große Thema Krebs steht. Aber wir haben es immer geschafft eine gute Waage hinzubekommen, damit sich jeder verstanden fühlt.

Sehr hilfreich war ihre strukturierte Art. Sie hat ihre Krankheit als Projekt gesehen und deshalb kannten wir den Zeitplan. Wir wussten, wann die guten Tage sind und konnten da auch Treffen einplanen. Wir sind auch mal ein Wochenende zusammen weggefahren. Das war wichtig, denn da konnte auch ein Stück weit Normalität Raum gewinnen.

J: Während der Akuttherapie wollte ich nicht über die Krankheit sprechen. Das wussten die Freunde auch. In der Klinik fehlt einem dann schon die Außenwelt und man ist dankbar über den Austausch z. B. per WhatsApp. Das hat mir sehr geholfen den Anschluss im Freundeskreis nicht zu verlieren.

Gibt es Fettnäpfchen oder Tretmienen bei der Kommunikation?

J: Ja! In der Akuttherapie kommt die Phase, in der man Haare verliert und sich körperlich verändert. Da wird man sensibel und wenn Aussagen kommen wie: „Du bist aber dünn geworden“ oder: „Jetzt sind die ganzen Haare ja schon ausgefallen“ ist das ein Seitenhieb, bei dem man schlucken muss. Wichtig ist rückwirkend betrachtet für mich, aktiv zu kommunizieren, dass man niemanden auf Gewicht oder verlorene Haare reduzieren soll.

Was waren schwierige Fragen deiner Freunde?

J: Viele Freunde haben immer wieder gefragt: Wie geht es dir? Und diese Frage ist einfach schwer zu beantworten, weil man oft selbst nicht weiß, wie es einem geht. Diese Frage gehört bei uns auch zum Smalltalk und oft will der Gegenüber gar nicht wissen, wie es einem wirklich geht. Für solche Situationen habe ich mir Muster zurechtgelegt wie z. B.: „Ich schlage mich ganz gut durch“ oder „Momentan ist eine bessere/schlechtere Phase.“ Aber es gab natürlich auch Freunde, die wirklich wissen wollten, wie es mir geht. Da habe ich ausführlicher geantwortet.

Aus Sicht eines Krebspatienten wäre die Frage besser so zu formulieren: Wie geht es dir denn heute/aktuell? Mit was schlägst du dich gerade rum?

Gab es auch als Freundin schwierige Situationen?

V: Früher waren die Treffen Entspannung für mich, aber wenn man jetzt gestresst war, kam man nach einem solchen Treffen nicht erholt zurück, sondern hat noch einen Packen obendrauf bekommen, da die Treffen natürlich schon auch von dieser Krankheit geprägt waren.

Wie war der Austausch mit anderen Patienten?

J: Während meiner Akuttherapie habe ich ein Angebot meiner behandelnden Klinik genutzt, in eine übergeordnete Patientengruppe zu gehen, um sich mit anderen Patienten und Patientinnen auszutauschen. Daraus sind mittlerweile auch Freundschaften entstanden. Vorher konnte ich mir nicht vorstellen sich andere Krebspatienten als Freunde zu suchen, weil man zwar das gleiche Schicksal teilt aber es eine lebensbedrohliche Erkrankung ist. Man muss für sich selbst wissen, ob das einem gut tut oder nicht.

Manchmal hilft auch nur ein bisschen schwarzer Humor. Solche Witze sind unter Patienten natürlich leichter verdaulich, als wenn diese ein Außenstehender macht. Mir hat es geholfen, auch mal locker über das Aussehen oder die Situation zu sprechen und nicht immer alles ganz ernst zu nehmen.

Gibt es auch außerhalb der Klinik Möglichkeiten sich auszutauschen?

J: Während der Therapie habe ich gemerkt, dass auch ein Austausch mit anderen Patienten für mich wichtig war als es um Therapieentscheidungen ging. So bin ich auf die Social Media Plattform Instagram gekommen. Hier habe ich bewusst den Austausch mit anderen Patienten gesucht, die schon weiter waren als ich in der Therapie und auch in ihren Entscheidungen.

Wie hast du deine Freundin im Alltag unterstützt?

V: Ich hatte oft das Gefühl viel zu wenig zu machen. Ich hatte oft ein schlechtes Gewissen. Rückwirkend betrachtet wäre es sinnvoll gewesen, das einfach ganz offen zu sagen: „Ich habe ein schlechtes Gewissen. Wie können wir damit umgehen? Was brauchst du genau?“ Ich habe immer gefragt, wie es ihr geht und was ich tun kann. Aber oft nimmt der andere die angebotene Hilfe leider nicht so in Anspruch.

J: Hilfreich waren für mich Angebote von Freunden wie: „Ich kann für dich kochen“ oder „Brauchst du gerade was? Soll ich vorbeikommen?“ Auch einfach einen Kaffee zusammen zu trinken hat mir viel bedeutet, Für andere ist das ganz normal aber für mich war es in der Zeit etwas, was mir geholfen hat den Alltag mal außen vorzulassen.

Wenn man mal nicht die richtigen Worte gefunden hat, war eine Umarmung oder eine liebe virtuelle Geste viel mehr wert als 1000 Tipps oder irgendwelche Gespräche, die künstlich aufrechterhalten wurden.

Thema Tipps von Freunden und Bekannten: wie geht man damit am besten um?

J: Als Patient muss man sich wirklich vor Tipps wie: „Verzichte auf die Chemo, trinke den Saft oder nimm diese Pille“ schützen. In der Phase hadert man vielleicht mit der Therapie und den Nebenwirkungen. Da ist es wichtig, solche wahnwitzigen Angebote von sich fernzuhalten. Ich war überzeugt von meinem Therapieweg und wenn, dann habe ich mit meinem Arzt besprochen, ob ich zusätzliche Tabletten ergänzend zu meiner Therapie einnehmen kann.

Wie sieht eure Freundschaft heute aus?

V: Die Freundschaft hat sich verändert, sie ist wertvoller geworden, aber sie ist anders geworden. Sie ist geprägt von dieser Krankheit, gerade weil es eine chronische Krebserkrankung ist. Der Umgang mit der Krankheit ist fast schon zur Gewohnheit geworden. Man kennt bestimmte Fakten wie z. B. Ernährung oder Umgang mit Hygiene und man kennt auch bestimmt Fettnäpfchen. Das macht es einfacher und es wird ein Stück weit zur Gewohnheit.