Wie sieht es mit der Kostenübernahme bei einer schweren Tumorerkrankung aus? Wer zahlt für was? Was zahlen die Krankenkassen? Vor allem, aber: was muss ich wann beantragen, damit die Kosten auch sicher übernommen werden? Was ist der Unterschied zwischen Behandlungskosten und Kontrollterminen? Wann werden die Fahrtkosten übernommen? Wann gibt es eine Zuzahlungsbefreiung? Bei welchen Hilfsmitteln werden die Kosten übernommen? Wie sieht es mit einer Haushaltshilfe aus?
Viele dieser Fragen haben Sie sich vielleicht schon gestellt?! Dann werden Sie hier die Antworten finden, inklusive der wichtigen Hinweise was bei der Beantragung zu beachten ist!
Dr. Jens Stäudle
Leiter der Krebsberatungsstelle LINA am Robert Bosch Krankenhaus Stuttgart
Jürgen Walther
Leitung Klinische Sozialarbeit des Universitäts Klinikums Heidelberg
Allgemeine Kostenübernahme durch Krankenkassen
Fahrtkosten
Hilfsmittel
Haushaltshilfe – Für Patienten mit Kindern
Haushaltshilfe – Für Patienten ohne Kinder
Zuzahlungsgrenzen und -befreiung
Schwerbehinderung und Schwerbehindertenrecht
Die Krankenkassen zahlen klassisch die Krankenbehandlungen. In der Regel läuft es so: Man bekommt die Diagnose einer Tumorerkrankung, Behandlung läuft beim Hausarzt/Facharzt, Patient/in muss ins Krankenhaus. Die Krankenkassen zahlen die Behandlung – wenn es zugelassene Behandlungen sind.
Heute gibt es ganz viele neue moderne Therapien. Unter Umständen kann es sehr schnell passieren, dass jemand eine Therapie bekommt, die noch nicht zugelassen ist. Da stellt sich die Frage: Wo in welchem Krankenhaus? Darf ein Krankenhaus das durchführen? Ja/Nein? Da müssen individuelle Anträge gestellt werden, Off-Label-Use (zulassungsüberschreitende Anwendung) etc. Das ist alles Thema „Krankenkasse“.
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Mehr InformationenBei den Fahrtkosten zur Therapie gilt folgende Regel: Ambulante Fahrtkosten werden nach dem SGB V (Sozialgesetzbuch, das die Regelungen für die Krankheiten enthält) generell nicht übernommen aber für sogenannte Serienbehandlungen (antitumorale Therapien wie z. B. Chemotherapie, Strahlentherapie oder auch Immuntherapie) werden die Kosten übernommen. Normalerweise immer mit Eigenbeteiligung bei allen Leistungen der Krankenkassen. Ob Arzneimittel, Hilfsmittel oder Fahrtkosten: Hier fällt eine Eigenbeteiligung an! Aber die Leistung selbst wird von der Krankenkasse übernommen.
Wichtig ist gerade bei den Fahrtkosten zur Chemotherapie: Auf jeden Fall VOR Beginn der Therapie beantragen!
Ebenfalls wichtig zu wissen: Die Behandlungskosten werden übernommen – ABER: Kontrolltermine unter Umständen nicht. Das heißt, wenn ich an einem Tag zur Behandlung (Serienbehandlung) komme, aber keine Behandlung bekomme, weil die Blutwerte zum Beispiel nicht gut sind, gibt es Krankenkassen, die sich weigern die Fahrtkosten zu übernehmen. Manche Krankenkassen übernehmen die Fahrtkosten für die Chemotherapie und alle damit assoziierten Behandlungstermine, auch Kontrolltermine, Laborkontrollen, Befunderhebung und andere sagen „Nein“ nur die reinen Therapietermine. Das muss mit der Krankenkasse konkret abgeklärt werden. Sonst bleibt man auf einem Teil der Fahrtkosten sitzen. Je nachdem wie die Anreise ist, kann das ganz erheblich sein.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch: Fahrtkosten werden nur zum wohnortnächsten Krankenhaus, das die Therapie durchführen kann, bezahlt. Es gibt verschiedene onkologische Zentren, auch Spitzenzentren in Deutschland. Wenn Patienten von weit herkommen und einen bestimmten Wunsch haben, wo sie behandelt werden (z. B. Freiburg, Tübingen, Heidelberg) und es ist nicht das nächste Zentrum, dann übernimmt die Krankenkasse in der Regel die Fahrtkosten nicht oder nur bis zum nächsten Zentrum.
Für Hilfsmittel (z. B. Perücke) werden die Kosten von der Krankenkasse übernommen. Für Perücken gibt es in der Regel unterschiedlich hohe Festbeträge bei den Krankenkassen. Das muss im Detail mit der eigenen Krankenkasse geklärt werden. Allerdings gilt dies nur für Frauen. Männer bekommen keine, denn diese sind häufiger von Haarausfall bedroht. Es gibt allerdings auch männliche Patienten, die unter dem Verlust ihrer Haare leiden. Aber da werden leider keine Perückenkosten übernommen.
Das Thema Haushaltshilfe ist ein wichtiges Thema insbesondere für Patienten/Patientinnen, die Kinder haben. Die Kosten werden von der Krankenkasse dann übernommen, wenn keine weitere Person im Haushalt lebt, die den Haushalt führen oder die Kinder versorgen kann. Per Gesetz ist die Altersgrenze der Kinder zwölf Jahre. Die meisten Krankenkassen haben in ihrer Satzung aber eine Altersgrenze von 14 Jahren. Wenn Kinder unter 14 Jahren im Haushalt leben, besteht der Anspruch auf eine Haushaltshilfe.
Bei einer stationären Behandlung unbegrenzt, bei ambulanter Behandlung maximal 26 Wochen. Das gilt für dann, wenn es um die Versorgung von Kindern geht. Der Bedarf wird über einen Antrag bei der Krankenkasse angemeldet. Der Arzt oder die Ärztin muss den Bedarf bestätigen und dann kann man, je nach Situation der Familie, eine Haushaltshilfe zum Einsatz bringen. Z. B. zwei mal drei Stunden wöchentlich bis 4 oder 5 Stunden am Tag oder auch mehr, je nachdem wie viele Kinder im Haushalt leben.
Das Problem in der Praxis ist einen entsprechenden Anbieter zu finden, der die Dienstleistung letztendlich anbieten kann. Hier gibt es kommerzielle Anbieter über die Sozialstation oder über Anbieter von haushaltsnahen Dienstleistungen. Der Markt ist leider ziemlich abgegrast.
Aber man kann im privaten Umfeld nach Unterstützung fragen. Auf was ist da zu achten? Es kann der Ehepartner/Ehepartnerin sein. Diese/r kann Verdienstausfall geltend machen. Es können auch Verwandte sein. Wenn es direkte Verwandte in gerader Linie sind (z. B. die Oma), können diese möglicherweise Fahrtkosten geltend machen aber sie bekommen keine Vergütung für die eigentliche Haushaltshilfe. Man kann auch Freunde einsetzen. Für diese kann man eine Vergütung bis zu einem gewissen Betrag mit der Krankenkasse abrechnen. Die Beträge sind allerdings nicht sehr hoch.
Wenn die Haushaltshilfe von der Krankenkasse ausgeschöpft ist, sei es, weil die 26 Wochen ausgeschöpft sind oder aus anderen Gründen kein Anspruch mehr besteht, kann man über das Jugendamt/die Jugendhilfe im Rahmen der „Hilfe für Kinder in Notsituationen“ eine Verlängerung der Haushaltshilfe beantragen. Bitte auf jeden Fall rechtzeitig beantragen! Oft sind das sehr lange Verfahren.
Zugang zur Haushaltshilfe besteht auch, wenn man keine Kinder hat. Für Menschen nach dem Akutkrankenhausaufenthalt oder während einer Chemotherapie bei einer schweren akuten Erkrankung. In der Regel wird die Haushaltshilfe immer nur vier Wochen gewährt. Wenn man eine Chemotherapie bekommt, muss die Haushaltshilfe in diesen Zeitabschnitten neu beantragt werden. Das ist ein Zugang für Menschen, die keine Kinder unter zwölf bzw. 14 Jahren haben und niemand im Haushalt wohnt, der die Leistung erbringen kann. Alleinstehende Menschen, die durch die Therapie so eingeschränkt sind, dass sie die Hilfe brauchen.
Es gibt Grenzen für die Zuzahlung bei Arzneimitteln, für Fahrtkosten, für Heilbehandlungen oder Hilfsmittel. Wenn diese Grenze überschritten ist, ist man von weiteren Zuzahlungen befreit.
Bei einer chronischen Erkrankung ist diese Grenze ein Prozent des Familienbruttoeinkommens, bei einer nicht chronischen Erkrankung sind es zwei Prozent.
Eine Erkrankung ist chronisch, wenn sie mindestens ein Jahr vorliegt und der Patient pro Quartal mindestens einmal behandelt wurde. Bei einer Krebserkrankung, die heute diagnostiziert wird, ist man erst in einem Jahr chronisch krank und hat dann die reduzierte Zuzahlungsbefreiungsgrenze von einem Prozent. Dann kann eine Zuzahlungsbefreiung beantragt werden und wenn dieses eine Prozent des Bruttoeinkommens erreicht ist, wird man von den weiteren Zuzahlungen befreit. Man bekommt ein Befreiungskärtchen und muss keine weiteren Zuzahlungen mehr leisten.
Einfaches Rechenbeispiel: Das Familieneinkommen beläuft sich auf 20.000 Euro. Ein Prozent davon sind 200 Euro. Wenn 200 Euro an Zuzahlungen geleistet wurden, kann bei der Krankenkasse ein Antrag auf Zuzahlungsbefreiung gestellt werden.
Wichtig: Alle Quittungen/Belege aufbewahren! Diese mit den Einkommensnachweisen (mit den eigenen und denen des Partners) bei der Krankenkasse einreichen. Wenn man überzahlt hat, werden diese überzahlten Beträge zurückerstattet.
In den Ländern gibt es unterschiedliche Regelungen. In Baden-Württemberg ist es so, dass der Schwerbehindertenausweis beim Versorgungsamt (bei den Landratsämtern, die das Schwerbehindertenrecht vollziehen) beantragt wird.
Die meisten Patienten, die eine Tumorerkrankung haben, haben Anspruch auf Feststellung einer Schwerbehinderung. Schwerbehindert ist man, wenn der Grad der Behinderung 50 Prozent beträgt. Dann besteht Anspruch auf einen Ausweis. Dieser entfaltet seine Hauptwirkung im Arbeitsleben. Man hat einen erhöhten Urlaubsanspruch (fünf Tage zusätzlich im Jahr), einen erweiterten Kündigungsschutz (ist aber nicht unkündbar) und einen höheren Steuerfreibetrag. Die steuerliche Belastung reduziert sich somit. Das zu versteuernde Einkommen ist geringer und man hat unter Umständen bei Leistungen der Krankenkasse (z. B. Fahrtkosten) Erleichterungen. Das ist im Einzelfall unterschiedlich und muss geprüft werden. Die Zuzahlung kann dadurch z. B. verfrüht auf ein Prozent runterkommen. Also: Rechtzeitig den Schwerbehindertenantrag stellen. Dann hat man eventuell schon im ersten Jahr die Möglichkeit, nur ein Prozent zuzuzahlen. Das kann viel Geld sein.