Frau Broeckmann, Psychotherapeutin und Psychoonkologin arbeitet seit über 20 Jahren mit dem Thema, wie Eltern ihren Kindern erklären können, dass sie an Krebs erkrankt sind. In diesem Beitrag wird auf die Kindergartenkinder (drei bis circa sechs-Jährige) eingegangen.
Karin Strube
Mitgründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Strube Stiftung
Dipl.-Psych. Sylvia Broeckmann
Psychologische Psychotherapeutin
Psychoonkologin (DKG)
Kommunikation mit Kindern:
Verständnis des Begriffs Krebs:
Verwendung von Büchern/Bildmaterial:
Gespräche über Sterben und Tod:
Zeitpunkt des Gesprächs:
Schuldgefühle der Kinder:
Einbeziehung des Kindergartens:
Krankenhausbesuche:
Alltagsgestaltung:
Es ist wichtig, dass klar und ruhig kommuniziert wird. Die Person, die mit den Kindern spricht, sollte möglichst nicht selbst in großer Aufregung sein. Wenn das erkrankte Elternteil mit den Kindern spricht, was super ist, sollte diese Person vorher ausgeatmet haben, Klarheit haben, was passiert jetzt, was möchte ich sagen und einigermaßen ruhig in das Gespräch hineingehen.
Nein, das wäre nicht schlimm. Weinen und dann sagen „Ich weine, weil ich gerade traurig bin, das ist alles Mist gerade“ können Kinder gut ertragen. Aber wenn Unruhe und Aufregung da ist, ist es schwierig.
Was man auch bedenken sollte: Kinder haben eine kurze Aufmerksamkeitsspanne. Wenn ich mit einem Kindergartenkind rede, höchstens eine Viertelstunde, eher fünf bis zehn Minuten. Ich muss relativ zügig das transportieren, was ich transportieren will: „Ich habe eine Krankheit, die heißt Krebs, es gibt ganz viele verschiedene Krebsarten, meine Krankheit sitzt zum Beispiel in der Brust oder im Bauch. Deshalb werde ich operiert oder ich bekomme ganz starke Medikamente, da muss ich immer mal für einen Tag zum Doktor. Ich bin dann weg und in der Zeit passt der Papa, die Oma, etc. auf euch auf.“ Reicht meistens fürs Erste.
Im besten Fall können die Kinder nichts mit dem Wort anfangen. Der schwierigere Fall ist, dass sie etwas damit anfangen. Das darf man nicht unterschätzen. „Die Oma von der Melli, die ist da dran gestorben. Stirbst du da auch dran?“ Die Kinder haben oft schon eine Berührung damit gehabt, in der Regel etwas Dramatisches, sonst redet man nicht drüber.
Und deshalb ist es auch so wichtig zu sagen, dass es verschiedene Krebsarten gibt und wenn die Kinder mit der Geschichte von Mellis Oma kommen, zu sagen: „Ja, aber ich habe eine ganz andere Sorte.“
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Mehr InformationenMan kann den Kindern einfache Anatomie Büchern zeigen, aber eigentlich reicht eine grobe Ortsangabe bei Kindergartenkindern. Bauch ist meistens völlig ausreichend. In dem Alter ist es egal, ob es Darm, Magen oder ein Eierstock ist. Wichtiger ist, die Therapie zu erklären. Unter einer Operation können sich die meisten etwas vorstellen. Chemotherapie ist schon schwieriger. Bestrahlung ist ganz schwierig.
Es gibt zwei gute Bücher: Der Chemo-Kasper und der Radio-Robbi. Die beiden erklären Kindern (ca. zwischen drei und acht) wie Chemo und Bestrahlung funktionieren. Die Bücher kann man bei der Deutschen KinderKrebshilfe gegen Übernahme der Versandkosten bestellen. Die gibt in vielen Sprachen. Tolle Bücher, um die Therapie zu erklären.
Generell nein. Aber wenn das Kind selbst anfängt wie beim „Oma von Melli-Klassiker“, sollte man wahrheitsgemäß darüber sprechen. Wenn der Arzt von einem gut heilbaren Tumor spricht, sage ich das dem Kind: „Das ist jetzt eine blöde Zeit, aber das wird wieder, nicht wie bei Mellis Oma.“
Wenn ich nicht erwarten kann, wieder gesund zu werden, dann muss ich auch das sagen: „Nein, ich habe eine Krankheit, die geht jetzt nicht mehr weg, die bleibt jetzt. Da müssen wir uns jetzt leider damit rumschlagen. Aber ich sterbe da vielleicht nicht dran“ oder „ich sterbe da nicht dran.“ Wenn es eine ausweglose Situation ist, könnte man sagen: „Jetzt sterbe ich da nicht dran, jetzt leben wir miteinander.“ Kinder haben eher eine kurze Perspektive.
Das ist eine sehr schwierige Situation. Welcher Erwachsene möchte sich frisch nach der Diagnose ernsthaft damit auseinandersetzen, ob er vielleicht daran sterben wird? Und wenn man kleine Kinder hat, ist es fast unerträglich, sich damit auseinanderzusetzen. Aus Erfahrung kann man sagen, dass 99% aller Leute, die eine Krebserkrankung diagnostiziert bekommen, sich damit auseinandersetzen. Aber zum Glück gibt es heutzutage sehr gute Therapiemöglichkeiten.
Es muss eine ruhige Situation sein. Das Kind muss hinterher noch eine Möglichkeit haben zu spielen. Nicht direkt vor dem Schlafengehen, sondern irgendwann am Wochenende, wenn es ruhig ist oder nachmittags. Wenn es noch eine Möglichkeit gibt, sich damit zu beschäftigen, es vielleicht zu malen oder auch komplett wegzuschieben, z. B. Fußball zu spielen.
Kindergartenkinder haben manchmal merkwürdige Vorstellungen, z.B., dass sie daran schuld sind, dass ein Elternteil an Krebs erkrankt ist. Woher kommen solche Gedanken?
Das ist ein bisschen magisches Denken. Das fängt mit den Kindergartenkindern an, aber das geht hin bis zu den Erwachsenen. Die denken z. B. teilweise auch, weil sie Ärger mit der Schwiegermutter hatten, haben sie Krebs bekommen. Das ist gar nicht so selten. Bei den Kindergartenkindern fängt es an, weil sie das Gefühl haben, sie sind der Mittelpunkt der Welt. Wegen ihnen passieren alle Dinge. Das sind die guten Dinge, aber das sind natürlich auch die schlechten Dinge. Wenn der Papa Krebs hat, ist das wegen mir. Das ist dann bestimmt, was weil ich irgendwas gemacht habe, z. B. nicht brav war. Da brauchen die Kinder eine klare Ansage: „Du hast da nichts mit zu tun. Gar nichts.“
Wenn die Eltern denken, dass sich das Kind damit beschäftigt, sollte man es ansprechen. „Denkst du, du hast Schuld?“ Bei Kindern gilt jedes Schulterzucken als „Ja“. Dann bitte so tun, als wäre das Ja ausgesprochen. „Nein, du hast nichts damit zu tun und du kannst nichts tun, um es besser oder schlechter zu machen. Klar, das ist jetzt für uns alle eine harte Zeit. Wir bemühen uns darum nett miteinander zu sein. Und es wäre toll, wenn du auch nett bist.“ Oder: „Das ist nett, wenn du uns hilfst. Aber das hat nichts damit zu tun, ob es besser oder schlechter wird.“ Kinder haben oftmals diese Phantasien und legen sich damit irgendwelche Erklärungen zurecht.
Manchmal. Deshalb ist es wichtig, dass zum Beispiel der Kindergarten Bescheid weiß, wie die Situation zu Hause ist. Mit der klaren Ansage das Kind nicht zu fragen, wie es der Mama geht. Wenn die Erzieher etwas wissen wollen, sollen sie den abholenden Elternteil fragen.
Wie es dem Kind geht, nur fragen, wenn auch die anderen gefragt werden. Keine Extrawurst, ganz normal behandeln. Falls irgendetwas Auffälliges auftritt, bitte mit den Eltern klären. Beispiele: Beschäftigt sich auffällig viel mit Monstern (Klassiker). Hat eine große motorische Unruhe (mehr als sonst). Sitzt nur in der Ecke und mag nicht mitspielen. Diese Informationen sollten die Eltern bekommen. Im Kindergarten sollen sie darauf eingehen, wie sie sonst auch darauf eingehen. Keine Extratouren. „Wie geht es dir?“ ist eine Frage, die kein Kind beantworten kann. Wenn es ein Kind ist, was sich etwas von den Erwachsenen abgeschaut hat, dann sagt es „gut“. Information gleich null.
Nicht erwarten, dass die Erwachsenen reden und das Kind dabei ist. Das ist todlangweilig für das Kind. Irgendetwas an Beschäftigung mitnehmen und darauf eingerichtet sein, dass das Kind relativ zügig wieder gehen will. Entweder ich gehe dann selbst mit meinem Kind oder ich bleibe bei meinem Partner und habe jemanden dabei, der mit dem Kind rausgeht. Oma, Tante, Onkel, Freund… Bitte nicht das Kind zwingen länger zu bleiben, da es dann beim nächsten Mal sicher nicht mehr mitmöchte, weil die Erwachsenen ewig über lauter komische Wörter reden, die man nicht versteht.
So viel Alltag wie möglich. Immer. Auch dem Kind Aufmerksamkeit schenken, spielen, Spaß haben. Der Geburtstag wird trotzdem gefeiert, auch wenn der Papa gerade im Krankenhaus ist. Vielleicht kleiner feiern mit Unterstützung, aber es wird gefeiert. Das ist ganz wichtig, dass die Kinder noch ihr eigenständiges Leben haben.
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