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GIST bei inoperabler oder metastasierter Erkrankung

Was ist ein GIST – und warum wird er manchmal erst spät entdeckt?

GIST steht für gastrointestinaler Stromatumor. Diese Erkrankung kann sich über einen langen Zeitraum ohne spürbare Symptome entwickeln. Deshalb kommt es vergleichsweise häufig vor, dass ein GIST erst dann diagnostiziert wird, wenn die Situation bereits nicht mehr operabel ist – also wenn der Primärtumor nicht einfach entfernt werden kann und/oder bereits Metastasen entstanden sind.

Foto von Karin Strube

Karin Strube

Mitgründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Strube Stiftung

Foto von Prof. Dr. Bauer Leiter des Sarkomzentrums an der Uniklinik Essen

Univ.-Prof. Dr. med Sebastian Bauer

Leitung Sarkomzentrum, Facharzt für Onkologie am Uniklinikum Essen

Inhaltsverzeichnis

  • GIST kann lange unbemerkt wachsen und wird manchmal erst entdeckt, wenn er nicht mehr operabel und/oder metastasiert ist.
  • „Inoperabel“ bedeutet: Eine Operation wäre nur mit zu hohen Risiken oder starken Folgen für die Lebensqualität möglich.
  • Die Behandlung erfolgt meist zuerst medikamentös – bei GIST als gezielte Tablettentherapie, nicht als klassische Chemotherapie.
  • Welche Therapie am besten wirkt, hängt stark von der Mutationsanalyse (molekularer Subtyp) ab.
  • Die Therapie ist bei vielen Betroffenen sehr wirksam: Tumoren können schrumpfen und das Wachstum wird oft gestoppt.
  • Eine vollständige Heilung nur durch Tabletten ist selten – Medikamente müssen häufig langfristig eingenommen werden.
  • Metastasen entstehen bei GIST typischerweise im Bauchraum/Bauchfell und in der Leber (Lunge sehr selten).
  • Im Verlauf können Resistenzen auftreten, dann wird auf weitere zugelassene Medikamente gewechselt.
  • Je nach Situation kommen zusätzlich lokale Behandlungen (z. B. Operation, gezielte Verfahren an Metastasen) infrage – am besten in einem spezialisierten Zentrum prüfen lassen. 
  • Ziel der Forschung ist, Therapien weiter zu verbessern und Heilung häufiger möglich zu machen – dafür sind Studienteilnahmen wichtig.

Prof. Dr. med. Bauer, Leiter des Sarkomzentrums an der Uniklinik in Essen, erklärt die unterschiedlichen Behandlungssituation bei:

  • lokal fortgeschrittenem (inoperablem) GIST
  • metastasiertem GIST
  • Kombination aus beidem (Primärtumor und Metastasen)

Es gibt auch Situationen, bei denen der Primärtumor bereits operiert wurde, und erst Jahre später treten Metastasen auf. Dann liegt kein Primärtumor mehr vor, aber eine metastasierte Erkrankung.

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Was bedeutet „inoperabel“ bei einem GIST?

„Nicht operabel“ bedeutet nicht, dass grundsätzlich gar nichts operiert werden kann. Entscheidend ist, ob man einen Tumor so operieren kann, dass dabei keine unvertretbaren Folgeschäden entstehen.

Ein Tumor gilt vor allem dann als nicht sinnvoll operierbar, wenn:

  • die Operation benachbarte Organe stark betreffen würde,
  • danach dauerhafte Einschränkungen der Lebensqualität zu erwarten wären,
  • oder die Operation so ausgedehnt wäre, dass sie sehr risikoreich bis hin zu lebensbedrohlich werden könnte.

Bei GIST kann „lokal fortgeschritten“ zum Beispiel bedeuten:

  • häufige Lage im Magen, mit Einwachsen in Bereiche wie den hinteren Bauchraum oder die Leber,
  • sehr große Tumoren, bei denen sehr viel Magen oder Darm entfernt werden müsste, mit möglichen Folgen für die Funktion des Verdauungstrakts.

In solchen Situationen beginnt man in der Regel nicht sofort mit einer Operation, sondern zuerst mit einer medikamentösen Therapie.

Tablettentherapie statt Chemotherapie

Bei GIST werden keine klassischen Chemotherapien eingesetzt. Die medikamentösen Therapie erfolgt als Tablettentherapie, die gezielt an den Mechanismen ansetzt, die die Erkrankung antreiben. Das ist ein zentraler Unterschied zu vielen anderen Krebsarten.

Korreliert die Größe des Tumors mit dem Auftreten von Metastasen?

Die Tumorgröße ist ein Risikofaktor: Größere Tumoren haben im Durchschnitt ein höheres Risiko für Metastasen als kleinere. Dennoch ist die Situation nicht automatisch „je größer, desto sicher metastasiert“, denn es spielen mehrere Faktoren eine Rolle: 

Lokalisation im Magen-Darm-Trakt:

  • Magen ist die häufigste Lokalisation – dort ist Streuung nicht so häufig. Ein großer Magen-GIST kann daher durchaus allein durch Operation heilbar sein.
  • Dünndarm-GIST haben ein höheres Risiko.

Zahl der Teilungsfiguren (Zellteilung):

  • Dieser Faktor hilft besonders dabei einzuschätzen, ob eine Metastasierung wahrscheinlich ist.

Die Forschung arbeitet daran, künftig noch genauer vorhersagen zu können, bei welchen Patienten Metastasen entstehen.

Warum der molekulare Subtyp so wichtig ist (Mutationsanalyse)

GIST ist nicht gleich GIST. Entscheidend für die Therapie ist der molekulare Subtyp – und dafür braucht es eine Mutationsanalyse aus Tumorgewebe oder einer Biopsie. Dabei wird unter anderem geprüft:

  • ob die „Treibermutation“ im KIT-Gen liegt,
  • im PDGFR-Gen,
  • oder in anderen, selteneren Genen.

Zusätzlich ist wichtig, wo genau die Mutation im jeweiligen Gen sitzt – denn das hat direkte Konsequenzen für die Behandlung:

Beispiel PDGFR:

  • Mutation in Genabschnitt 12: Imatinib kann sehr gut wirken.
  • Mutation in Genabschnitt 18 an einer bestimmten Stelle: Imatinib kann gar nicht wirken – dann braucht es ein anderes Medikament.

Beispiel KIT:

  • Bei etwa einem Drittel der Patienten gibt es Mutationen in Genabschnitt 9. Hier kann die optimale Behandlung bedeuten, zwei Tabletten, statt einer zu geben, um die beste Wirkung zu erreichen.

Ziel der Mutationsanalyse ist also auch, unwirksame Therapien zu vermeiden und möglichst früh die passende Behandlung zu starten.

Was bedeutet „Ansprechen“ auf die Therapie?

Wenn eine Therapie „anspricht“, heißt das vor allem:

  • Der Tumor hört auf zu wachsen (teilweise sehr schnell),
  • und bei vielen Patienten sterben große Teile der Tumorzellen ab,
  • Tumoren oder Metastasen werden kleiner oder verändern sich so, dass vor allem abgestorbenes Gewebe übrigbleibt.

Manchmal verschwinden Metastasen in der Bildgebung komplett. Häufig bleibt – besonders in der Leber – etwas zurück, das wie eine Narbe oder ein „Hohlraum“ wirkt. Trotzdem können im Körper kleine Resttumorzellen überleben.

Warum das nicht automatisch Heilung bedeutet

„Ansprechen“ ist nicht gleich „Heilung“. Heilung würde bedeuten, dass wirklich alle Tumorzellen verschwunden sind und man Medikamente dauerhaft absetzen könnte. Das ist bei GIST sehr selten. Bei vielen Betroffenen bedeutet eine wirksame Therapie jedoch:

  • Die unmittelbare Bedrohung wird abgewendet,
  • und die Behandlung kann sehr lange wirken, manchmal sogar lebenslang. Wie eine Dauertherapie (ähnlich wie Tabletten bei chronischen Erkrankungen wie z. B. bei Bluthochdruck), wenn sie gut vertragen wird.

Warum die Medikamente meist dauerhaft genommen werden müssen

Wenn die Therapie bei einer gestreuten Erkrankung unterbrochen oder abgesetzt wird, beginnt bei der großen Mehrzahl der Patienten die Erkrankung wieder zu wachsen. Das hängt damit zusammen, dass oft Restzellen verbleiben, die später wieder aktiv werden können.

Wo Metastasen bei GIST typischerweise auftreten

GIST streut anders als viele andere bösartige Erkrankungen:

  • Lunge: extrem selten
  • Häufige Streuorte:
    – Bauchfell (zwischen den Darmschlingen; sichtbar als Knoten)
    – Leber

Für die Leber gilt: 

  • im Ultraschall manchmal erkennbar, aber schlechter,
  • im CT besser,
  • am besten oft im MRT.

Nebenwirkungen und Alltag: „Eine Tablette nehmen“ ist nicht immer simpel

Tablettentherapie klingt im ersten Moment leicht, aber die Erfahrung ist sehr unterschiedlich:

  • Imatinib wird als Medikament beschrieben, das bei manchen Betroffenen wenig bis keine spürbaren Nebenwirkungen macht – bei anderen können Nebenwirkungen aber so stark sein, dass man die Therapie abbrechen muss. 
  • Es gibt zugelassene Alternativen: Bei KIT-Mutationen stehen vier zugelassene Medikamente zur Verfügung. Das bedeutet: Wenn eines nicht wirkt oder nicht vertragen wird, gibt es weitere Optionen. 
  • Spätere Therapien (z. B. Sunitinib und Regorafenib) können deutlich mehr Nebenwirkungen machen, zum Beispiel: 
    – Geschmacksstörungen 
    – Durchfälle 
    – Hautprobleme an Händen und Füßen 
    – Veränderungen des Aussehens (z. B. Haarveränderungen) 
    – Blutdruckprobleme 
    – in seltenen Fällen unter Sunitinib eine Schilddrüsenunterfunktion, die belastend werden kann, wenn sie nicht erkannt wird

Für viele Nebenwirkungen kann man etwas tun – durch unterstützende Maßnahmen und durch individuelle Dosisanpassungen („Feintuning“). Bevor eine wirksame Therapie beendet wird, sollte man versuchen, Nebenwirkungen so zu reduzieren, dass sie akzeptabel werden.

Therapietreue: Täglich nehmen, Pausen nur nach Plan

Die Medikamente sollen täglich eingenommen werden. Bei Therapien nach Imatinib kann es geplante Pausen geben – aber diese werden genau vorgegeben. Von eigenmächtigen Pausen wird deutlich abgeraten, weil die Erkrankung dann wieder wachsen kann.

Zur Uhrzeit: 

  • nicht auf die Minute,
  • aber ein relativ regelmäßiger Rhythmus ist sinnvoll (nicht ständig stark schwankend),
  • eine einmalig vergessene Einnahme ist meist kein Drama, wenn es die Ausnahme bleibt.

Resistenz: Warum Medikamente gewechselt werden müssen

Resistenzen sind bei gestreuter, nicht operabler Erkrankung sehr häufig:

  • Bei 9 von 10 Fällen entwickelt sich im Verlauf eine Situation, in der Imatinib nicht mehr ausreichend wirkt.
  • Dann zeigen sich wieder wachsende Knoten, oft weil zusätzlich zur ursprünglichen Mutation eine zweite Mutation entsteht, die die Bindung oder Wirkung des Medikaments verhindert.

Es gibt aber auch eine positive Ausnahme:

  • 1 von 10 Patienten kann Imatinib lebenslang einnehmen, ohne dass ein erneutes Wachstum auftritt – warum das so ist, ist noch nicht vollständig verstanden.

Als durchschnittlicher Orientierungswert wird für Exon-11-Mutationen genannt:

  • im Mittel etwa zwei Jahre, bis die erste Therapie nachlässt – mit sehr großer Spannbreite (von wenigen Monaten bis zu vielen Jahren).

Wie sich die Perspektiven über die Jahre verändert haben

Früher war die Prognose sehr schlecht war: Ende der 1990er Jahre lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei metastasiertem GIST bei etwa 12 bis 18 Monaten. Heute leben viele Betroffene deutlich länger, oft viele Jahre, in Einzelfällen sogar sehr lange – auch durch die verfügbaren Therapieoptionen und ergänzende Verfahren.

Lokale Therapien bei Metastasen: Operation, Hitze und Strahlentherapie

Neben Medikamenten können bei einem Teil der Patienten lokale Verfahren sinnvoll sein – insbesondere bei Metastasen. Dazu zählen: 

  • Metastasenchirurgie (operative Entfernung von Metastasen)
  • Thermische Verfahren in der Leber: Metastasen werden mit einer Sonde „verkocht“ 
  • Stereotaktische Strahlentherapie: hoch fokussierter Strahlentherapiestrahl kann GIST in geeigneten Situationen effektiv behandeln

Etwa ein Fünftel bis ein Viertel der Patienten mit Metastasen könnten für solche lokalen Verfahren infrage kommen. Wichtig dabei:

  • Die Frage, ob lokale Therapien möglich sind, sollte früh gestellt werden – idealerweise innerhalb der ersten sechs Monate, nachdem eine Therapie mit Imatinib begonnen wurde.
  • Dafür wird ausdrücklich empfohlen, sich an ein erfahrenes Zentrum zu wenden, weil komplexe Eingriffe besondere Expertise brauchen und in Deutschland nur in wenigen Einrichtungen häufig durchgeführt werden.

Behandlung im Zentrum – und was das für Anreise und Kosten bedeutet

Es ist nicht sinnvoll, für Routinekontrollen (z. B. Blutabnahmen) weit zu reisen. Für eine komplizierte Operation kann sich die Reise jedoch lohnen, weil der Nutzen langfristig groß sein kann.

Zur Kostenfrage:

  • Die Behandlung wird bezahlt.
  • Die Krankenkasse kann sich jedoch vorbehalten, Fahrtkosten nicht zu übernehmen, auch wenn grundsätzlich eine freie Krankenhauswahl besteht.

Lebensqualität unter Therapie

Die Lebensqualität hängt stark davon ab, welches Medikament eingesetzt wird und wie gut es vertragen wird.

  • Viele Patienten unter Imatinib können ein relativ normales Leben führen, arbeiten und Hobbys ausüben.
  • Manche treiben sogar intensiven Sport; allerdings kann eine leichte Blutarmut die Leistungsfähigkeit mindern.
  • Häufig genannt wird z. B. eine Schwellung der Augenlider, besonders morgens, die sich im Tagesverlauf oft bessert.
  • Bei späteren Therapielinien können Nebenwirkungen stärker in den Alltag eingreifen – daher ist Nebenwirkungsmanagement und Dosierungsanpassung besonders wichtig.

Forschung und klinische Studien: „Road to the Cure“

Es wird intensiv daran gearbeitet, GIST künftig häufiger heilen zu können. Dazu wurde ein Forschungskonsortium mit dem Ziel gegründet, zu verstehen, warum unter Therapie oft nicht alle Tumorzellen verschwinden, sondern z. B. „nur“ 95–98 %. Ein Ansatz ist:

  • künftig mehr Kombinationstherapien, während aktuell meist Einzeltherapien eingesetzt werden.

Die Teilnahme an klinischen Studien und die Unterstützung von Forschung ist – sowohl mit Blick auf die eigene Situation als auch für zukünftige Patienten sehr wichtig. In einem Forschungsprojekt sollen beispielsweise Patienten, die unter Imatinib operiert werden, Tumorgewebe für Forschungszwecke zur Verfügung stellen, wenn es nicht für die pathologische Diagnostik geeignet ist.

Wer sich beteiligen möchte, kann sich melden, damit geprüft werden kann, ob es ein passendes Angebot gibt. Zudem wird eine globale Forschungsallianz zur Heilung (Research Alliance for the Cure) gebildet, in der führende GIST-Forschungseinrichtungen der Welt ihre Projekte koordinieren und effizient vernetzen.