Knochensarkome sind seltene und sehr vielfältige Erkrankungen. Sie können in unterschiedlichen Altersgruppen auftreten und stellen für die operative Behandlung eine besondere Herausforderung dar. Professor Dr. Andreou beleuchtet das Thema ausführlich. Er ist Tumororthopäde und behandelt seit fast zwanzig Jahren Patienten mit Knochen- und Weichteilsarkomen. Er leitet das Institut für interdisziplinäre Sarkomtherapie und Forschung an der Klinik für Tumorthopädie und Sarkomchirurgie des Westdeutschen Tumorzentrums in Essen.
Karin Strube
Mitgründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Strube Stiftung
Ass.-Prof. PD Dr. med. Dimosthenis Andreou
Leiter des Instituts für interdisziplinäre Sarkomtherapie und Forschung
Operationen bei Knochensarkomen – Kurzüberblick
Bedeutung der Sarkomzentren
Extremitätenerhalt und Amputation
Rekonstruktion
Nachbehandlung
Bevor über eine Operation entschieden werden kann, muss die Diagnostik abgeschlossen sein. Das bedeutet: Der Tumor ist bekannt, seine Lage und Größe wurden erfasst. Oft erfolgt die Erstdiagnostik nicht im spezialisierten Zentrum. Manchmal liegen den Ärzten auch nur ältere Bildaufnahmen vor, die für eine präzise Operationsplanung nicht ausreichen.
Aktuelle Bildgebung ist entscheidend, da sich der Tumor oder seine Umgebung durch die Zeit oder durch eine Vorbehandlung verändern können. Deshalb wird vor der endgültigen Planung stets erneut überprüft, wie der Tumor aktuell aussieht.
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Mehr InformationenBei manchen Knochensarkomen erfolgt vor der Operation eine Chemotherapie. Diese kann Veränderungen am Tumor bewirken, die für die Operationsplanung berücksichtigt werden müssen.
In den 1970er Jahren zeigte sich, dass eine alleinige Operation bei bestimmten Knochensarkomen nicht ausreichte. Trotz radikaler chirurgischer Eingriffe entwickelten die meisten Betroffenen rasch Metastasen.
Durch die Kombination von Operation und Chemotherapie konnte die Überlebenszeit deutlich verbessert werden. Heute gilt dies insbesondere für zwei Sarkomtypen:
Bei Osteosarkomen kann die Chemotherapie Tumorzellen abtöten. Das im Tumor gebildete Knochengewebe bleibt jedoch bestehen. Deshalb zeigt sich im Bild meist nur eine geringe oder gar keine Verkleinerung des Tumors.
Bei Ewing-Sarkomen ist die Situation anders: Diese Tumoren sind weicher und chemosensibel (sprechen gut auf Chemotherapie an). Hier kann es zu einer deutlichen Volumenreduktion kommen. Für die Operationsplanung berücksichtigt man allerdings nicht nur die Größe nach der Chemotherapie, sondern auch das ursprüngliche Ausmaß des Tumors vor Beginn der Behandlung.
Ob vor einer Operation neue Bildaufnahmen notwendig sind, hängt davon ab, wo die Patienten behandelt werden. Erfolgt die Chemotherapie im selben Zentrum, werden die Bilder oft auch dort erstellt. Wenn die Behandlung wohnortnah durchgeführt wird, empfiehlt das Sarkomzentrum, dass die Bildgebung ebenfalls in der Nähe erfolgt und die Ergebnisse zur Operationsplanung mitgebracht werden. Das Zentrum stellt dafür genaue Empfehlungen zur Art der Untersuchungen aus. Falls aktuelle Bilder fehlen, gibt es Kooperationspartner im ambulanten Bereich, an die Patienten kurzfristig überwiesen werden können.
Für die Operation von Knochensarkomen ist es entscheidend, ein spezialisiertes Sarkom-Zentrum aufzusuchen. Wichtig ist nicht nur die Zertifizierung, sondern vor allem die Erfahrung des Teams mit der Behandlung von Knochensarkomen.
Die Deutsche Krebsgesellschaft listet zertifizierte Zentren in der OncoMap auf. Dort lässt sich gezielt nach Sarkom-Zentren mit dem Schwerpunkt Knochen suchen. Auch europäische Zertifizierungen, etwa EURACAN, geben Orientierung.
Die Erfahrung des behandelnden Teams spielt eine zentrale Rolle. Chirurgen, die regelmäßig Knochensarkome operieren, verfügen über deutlich mehr Routine und Fachwissen. Studien zeigen, dass die Behandlung in erfahrenen Zentren mit besseren Ergebnissen verbunden ist. Das bedeutet:
Knochensarkome sind selten. In Deutschland gibt es pro Jahr etwa 450 neue Fälle – bei rund 80 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Zu den drei wichtigsten Gruppen gehören:
Daneben existiert eine Reihe von sehr seltenen Formen. Zwei davon sind:
Alle diese Tumoren erfordern eine jeweils angepasste Behandlung.
Osteosarkome: Standard ist die Kombination aus Operation und Chemotherapie. Die Chemotherapie wird in der Regel vor und nach der Operation durchgeführt.
Ewing-Sarkome: Auch hier erfolgt die Kombination aus Operation und Chemotherapie. Zusätzlich können Ewing-Sarkome mit Strahlentherapie behandelt werden, da sie strahlensensibel sind.
Bei fast allen Knochensarkomen ist das Ziel der Operation, den betroffenen Knochenabschnitt mitsamt einer Sicherheitszone gesunden Gewebes in einem Stück zu entfernen. Dabei wird der Tumor weder direkt eröffnet noch angeschnitten. Hat der Tumor bereits in das umgebende Weichteilgewebe – zum Beispiel Muskeln – hineingewachsen, müssen diese Anteile ebenfalls mitentfernt werden.
Das Vorgehen ist entscheidend, um das Risiko eines Rückfalls am Ort der Operation möglichst gering zu halten. Wird der Tumor angeschnitten oder eröffnet, steigt die Wahrscheinlichkeit eines sogenannten Lokalrezidivs deutlich. Besonders bei Osteosarkomen und Ewing-Sarkomen, die zusätzlich mit Chemotherapie behandelt werden, gilt: Die erste Operation muss optimal verlaufen. Kommt der Tumor nach der Erstbehandlung zurück, sind die weiteren Behandlungsmöglichkeiten sehr eingeschränkt und die Erfolgsaussichten schlechter.
Knochensarkome können erstaunliche Größen erreichen. Ein Tumor von zehn Zentimetern wird sogar eher als klein bezeichnet. Mit zunehmender Größe steigt die Herausforderung: Neben der vollständigen Tumorentfernung muss auch darauf geachtet werden, die Funktion der betroffenen Gliedmaße möglichst zu erhalten.
In erfahrenen Sarkomzentren wird nicht nur theoretisch abgeschätzt, welche Funktion nach einer Operation eingeschränkt sein könnte. Dort gibt es konkrete Erfahrungswerte durch die tägliche Behandlung von Betroffenen. Diese Rückmeldungen helfen, die Operationsplanung individuell und realistisch zu gestalten. Jede Operation fällt anders aus – abhängig von Tumorgröße, betroffenem Knochenabschnitt und dem Ausmaß des Befalls angrenzender Weichteile.
Tumoren halten sich nicht an anatomische Grenzen. Sie können aus dem Knochen heraus in umliegende Weichteile hineinwachsen, wenn sie an Größe zunehmen. In solchen Fällen müssen neben dem Knochen auch die befallenen Weichteile mit entfernt werden, stets mit einer Schicht gesunden Gewebes als Sicherheitsabstand.
Bei den meisten Patienten mit einem Knochensarkom im Bereich der Arme oder Beine ist es möglich, den Tumor zu entfernen, ohne die betroffene Gliedmaße amputieren zu müssen. In seltenen Fällen ist eine Amputation jedoch notwendig – entweder weil der Tumor mit Sicherheitsabstand nicht vollständig entfernt werden kann oder weil die Rekonstruktion nach der Operation zu einer deutlich schlechteren Funktion führen würde, als es mit einer Amputation erreichbar wäre. In solchen Situationen wird gemeinsam mit den Betroffenen eine Entscheidung getroffen, die deren persönliche Ziele und Prioritäten berücksichtigt.
Da Knochensarkome häufig in der Nähe von Gelenken auftreten, müssen im Rahmen der Operation oft auch Gelenkanteile entfernt werden. Am Beispiel des Kniegelenks bedeutet das: Wird der untere Teil des Oberschenkelknochens entfernt, ist das Gelenk nicht mehr funktionsfähig. Bänder und Gelenkflächen fehlen, sodass eine natürliche Rekonstruktion nicht möglich ist. In solchen Fällen kommen Tumorprothesen zum Einsatz.
Eine Tumorprothese ist ein spezielles Metallimplantat. Sie ersetzt nicht nur die Gelenkoberfläche, wie ein herkömmliches künstliches Gelenk, sondern auch größere Teile des betroffenen Knochens. Beispiel:
Das ist der Gelenkteil einer Kniegelenk Prothese beziehungsweise die Prothese an sich heißt distaler Femurersatz, unterer Ersatz des Oberschenkelknochens. Der Tumor sitzt in diesem Fall im unteren Anteil des Oberschenkelknochens.
Die Länge des Knochens kann durch austauschbare Hülsen angepasst werden.
Der Gelenkmechanismus der Prothese übernimmt die Stabilität des Kniegelenks. Der kleine Stift übernimmt die Funktion, die die Bänder hatten. Kunststoffanteile sorgen für die reibungslose Beweglichkeit. Auf der einen Seite ist unten der Gelenkpartner im Schienbein. Das Ganze muss mit dem gesunden Knochen zusammenkommen. Und das Ganze muss auch mit dem gesunden Teil des Oberschenkelknochens zusammenkommen. Das machen die Stifte, die in den gesunden Knochen hineingebracht und mit der Prothese mit Schrauben verbunden werden.
Die Prothesen sind häufig mit speziellen Beschichtungen wie z. B. Titannitrid, versehen.
Ein wichtiger Punkt ist die Frage, wie Muskeln und Sehnen nach einer solchen Operation wieder funktionieren. Das hängt stark von der Lage des Tumors ab:
Die ersten Tumorprothesen wurden in den 1960er- und 1970er-Jahren entwickelt. Damals waren sie jedoch nicht allgemein verfügbar, sondern mussten individuell für jeden Patienten angefertigt werden. Das führte dazu, dass zwischen Diagnose und Operation Zeit überbrückt werden musste – oft mit einer Chemotherapie, bis die maßgefertigte Prothese hergestellt war.
Seit Ende der 1990er-Jahre gibt es modulare Prothesensysteme. Diese bestehen aus verschiedenen Bauteilen, die wie in einem Baukastensystem kombiniert werden können. Dadurch ist es möglich, unmittelbar bei der Operation eine passende Rekonstruktion vorzunehmen, ohne auf eine individuelle Anfertigung warten zu müssen.
In den meisten Fällen lässt sich die Gliedmaße erhalten. Es gibt jedoch zwei Hauptgründe, die eine Amputation notwendig machen können:
Bekannt sind sogenannte Exoprothesen, wie sie auch im Leistungssport eingesetzt werden – etwa federartige Unterschenkelprothesen. Für den Alltag gibt es spezielle Varianten, die unterschiedliche Aktivitäten ermöglichen: Laufen, Joggen, Schwimmen oder sichere Bewegung auf unebenem Untergrund. Damit können Betroffene nach einer Amputation oft Funktionen erreichen, die mit einer erhaltenen, aber stark eingeschränkten Extremität nicht möglich wären.
Vor einer Operation finden intensive Gespräche statt, in denen beide Optionen besprochen werden. Dabei werden die medizinischen Möglichkeiten ebenso berücksichtigt wie die individuellen Prioritäten der Patienten.
Heute können etwa 90 % der Knochensarkome im Bereich der Extremitäten mit einer extremitätenerhaltenden Operation behandelt werden. Nur bei rund 5–10 % der Betroffenen ist eine Amputation erforderlich.
Wie es nach einer Operation weitergeht, hängt stark von der Art des Tumors ab.
Nach Abschluss der Akuttherapie ist die onkologische Rehabilitation ein wichtiger Schritt, um körperlich und seelisch wieder zu Kräften zu kommen. Jeder Krebspatient hat Anspruch auf eine solche Maßnahme.
In der Regel empfiehlt sich eine stationäre Reha über drei bis vier Wochen. Wenn Betroffene bereits früh nach der Operation sehr gut zurechtkommen, kann auch eine ambulante Reha oder Physiotherapie ausreichen.
Es gibt spezialisierte Reha-Einrichtungen, die sich gezielt auf Kinder und Jugendliche mit Krebserkrankungen ausrichten. Dazu gehören auch Kliniken mit orthopädischem Schwerpunkt, die Erfahrung in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Sarkomen haben.
Die Nachsorge hat zwei wesentliche Ziele:
Metallprothesen halten nicht unbegrenzt. Sie haben zwar kein festes „Ablaufdatum“, müssen aber bei Verschleiß oder Problemen ausgetauscht werden. Auch nach Abschluss der onkologischen Nachsorge wird deshalb empfohlen, mindestens einmal jährlich eine Kontrolle im Sarkomzentrum durchzuführen.
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