Viele Patienten gehen davon aus, dass mit der Benennung ihrer Krebserkrankung bereits alle wichtigen Informationen vorliegen. Tatsächlich braucht es im Anschluss jedoch zusätzliche Diagnoseschritte. Einer der zentralen Schritte ist das Grading, also die Abschätzung, wie aggressiv ein Tumor ist. Was man unter Grading versteht, erklärt Frau Professor Wardelmann, Direktorin des Pathologie Instituts in Münster.
Univ.-Prof. Dr. med. Eva Wardelmann
Direktorin des Instituts für Pathologie, UKM
Karin Strube
Mitgründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Strube Stiftung
Bedeutung des Gradings
Grading-System (FNCLCC)
Was bedeutet „aggressiv“ bei Tumoren?
Rolle des Immunsystems
Einfluss des Gradings auf die Therapieplanung
Chemotherapie und Zellteilung
Grading als Teil der Prognose
Patientenbeteiligung an Therapieentscheidungen
Beim Grading beurteilt die Pathologie, wie stark das Tumorgewebe noch seinem Ursprungsgewebe ähnelt. Je größer die Ähnlichkeit, desto eher handelt es sich um einen weniger aggressiven Tumor. Weicht das Tumorgewebe deutlich von normalem Gewebe ab, spricht das für ein höheres Risiko. Das Grading liefert somit eine Prognose, keine Garantie.
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Mehr InformationenFNCLCC-Grading-System (Fédération Nationale des Centres de Lutte Contre le Cancer (Nationale Föderation der Krebsbekämpfungszentren in Frankreich))
Für die meisten, aber nicht für alle Sarkom-Subtypen wird das FNCLCC-Grading verwendet – ein seit über 50 Jahren etabliertes Schema aus Frankreich. Es ordnet Tumoren den Stufen G1 (niedriges Risiko) bis G3 (hohes Risiko) zu. Grundlage sind drei Parameter, aus denen eine Punktzahl („Score“) ermittelt wird.
1. Ähnlichkeit zum Ursprungsgewebe (Differenzierung)
2. Zellteilungsrate (Mitosezahl)
Mikroskopisch werden in einem definierten Areal die Zellteilungen gezählt.
3. Anteil abgestorbener Zellen (Nekrosen)
Schnell wachsende Tumoren entwickeln oft Bereiche ohne ausreichende Blutversorgung.
Die Punkte aller drei Kriterien werden addiert:
G1-Tumoren sind prognostisch günstiger, während G3-Tumoren mit einer ungünstigeren Entwicklung verbunden sind.
Der Begriff aggressiv beschreibt in der Onkologie, wie „durchsetzungsstark“ ein Tumor ist. Zwei Aspekte spielen dabei eine Rolle:
Ob Tumorzellen an einem neuen Ort tatsächlich anwachsen, hängt von ihren inneren Signalwegen ab. Manche Tumoren können sich tarnen, Abwehrzellen umgehen und so leichter „Fuß fassen“, andere schaffen das nie.
Im Prinzip erkennt das körpereigene Immunsystem täglich einzelne fehlprogrammierte Zellen und entfernt sie. Auch geschädigte Zellen können sich selbst vernichten. Erst wenn diese Schutzmechanismen versagen, entsteht ein Netto-Zellgewinn – der Beginn eines Tumors.
Viele klassische Chemotherapeutika greifen Zellen an, die sich gerade teilen. Enthält ein Tumor sehr viele Zellen in der Teilungsphase – typisch für aggressive, schnell wachsende G3-Tumoren – können entsprechend viele Zellen gleichzeitig zerstört werden. Es gibt jedoch auch Medikamente, die ruhende Zellen treffen; hier spielt die Teilungsrate eine geringere Rolle.
Neben der Wahl der passenden Therapie spielt das Grading auch eine zentrale Rolle bei der Prognose – also bei der Frage, wie sich die Erkrankung voraussichtlich weiterentwickeln wird.
Die Prognose basiert jedoch nicht auf einer hundertprozentig sicheren Vorhersage. Vielmehr handelt es sich um eine statistische Einschätzung: Die Erfahrungen aus vielen ähnlichen Fällen werden genutzt, um eine Tendenz für den individuellen Krankheitsverlauf abzuleiten. Ob ein einzelner Mensch dann zu den wenigen gehört, bei denen die Erkrankung erneut auftritt oder nicht, lässt sich nicht exakt voraussagen.
Ein Beispiel: Wenn die Rückfallwahrscheinlichkeit bei 30% liegt, kann das von verschiedenen Personen sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Manche empfinden 30% als ein moderates Risiko und lehnen eine zusätzliche Therapie ab. Andere hingegen fühlen sich schon bei 10% unwohl und wünschen sich eine ergänzende Behandlung.
Daher ist das Gespräch mit dem behandelnden Onkologen so wichtig. Die Einschätzung des Risikos muss in Ruhe erklärt und gemeinsam besprochen werden, um eine individuell passende Entscheidung zu treffen.
Nach einer Operation oder einer anderen Erstbehandlung ist es die Aufgabe des Onkologen, auf Basis der vorhandenen Befunde – inklusive des Grading – einen Behandlungsplan zu erstellen. Diese Pläne beruhen in der Regel auf umfangreichen wissenschaftlichen Studien und Erfahrungswerten.
Am Ende der pathologischen Untersuchung entsteht ein Gesamtbefund, der verschiedene Informationen zusammenführt:
Diese Angaben werden oft in einer „Tumorformel“ zusammengefasst, die eine strukturierte Übersicht bietet. Das Grading – oder auf Deutsch: der Malignitätsgrad – ist dabei ein fester Bestandteil. Beide Begriffe bedeuten dasselbe: Sie beschreiben den Grad der Bösartigkeit des Tumors. Welcher Ausdruck verwendet wird, hängt von der jeweiligen Einrichtung oder Fachperson ab.
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