Banner auf dem "Sarkome Diagnostik" steht

Grading Sarkome

Untersuchungen nach der Diagnose

Viele Patienten gehen davon aus, dass mit der Benennung ihrer Krebserkrankung bereits alle wichtigen Informationen vorliegen. Tatsächlich braucht es im Anschluss jedoch zusätzliche Diagnoseschritte. Einer der zentralen Schritte ist das Grading, also die Abschätzung, wie aggressiv ein Tumor ist. Was man unter Grading versteht, erklärt Frau Professor Wardelmann, Direktorin des Pathologie Instituts in Münster.

Foto von Frau Prof. Wardelmann, Direktorin des Instituts für Pathologie in Münster

Univ.-Prof. Dr. med. Eva Wardelmann

Direktorin des Instituts für Pathologie, UKM

Foto von Karin Strube Mitgründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Strube Stiftung

Karin Strube

Mitgründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Strube Stiftung

Inhaltsverzeichnis

Bedeutung des Gradings

  • Dient der Abschätzung, wie aggressiv ein Tumor ist.
  • Ist Grundlage für Therapieentscheidungen und Prognosen.
  • Bewertet drei Merkmale des Tumorgewebes:
    – Ähnlichkeit zum Ursprungsgewebe (Differenzierung)
    – Zellteilungsrate (Mitosezahl)
    – Anteil abgestorbener Zellen (Nekrosen)

Grading-System (FNCLCC)

  • Punktevergabe für jedes Merkmal -> Gesamtscore:
    – 3–5 Punkte: G1 (niedrig)
    – 6–7 Punkte: G2 (mittel)
    – 8–9 Punkte: G3 (hoch)
  • G1-Tumoren: weniger aggressiv, bessere Heilungschancen
  • G3-Tumoren: aggressiv, höheres Risiko für Metastasen

Was bedeutet „aggressiv“ bei Tumoren?

  • Lokal aggressiv: Tumor wächst ins umliegende Gewebe ein.
  • Systemisch aggressiv: Tumor bildet Metastasen über Blut- oder Lymphbahnen.

Rolle des Immunsystems

  • Erkennt und beseitigt täglich potenziell entartete Zellen.
  • Tumor entsteht, wenn diese Schutzmechanismen versagen.

Einfluss des Gradings auf die Therapieplanung

  • G1-Tumoren: Fokus auf vollständige Operation (lokale Kontrolle).
  • G3-Tumoren: häufig zusätzliche systemische Therapie (z.B. Chemotherapie) und evtl. Bestrahlung notwendig.

Chemotherapie und Zellteilung

  • Besonders wirksam bei schnell wachsenden Tumoren.
  • Viele Medikamente wirken in der Zellteilungsphase. 
  • Es gibt auch Wirkstoffe, die ruhende Zellen angreifen.

Grading als Teil der Prognose

  • Prognose = statistische Einschätzung des Krankheitsverlaufs.
  • Keine individuelle Vorhersage möglich – es geht um Wahrscheinlichkeiten.

Patientenbeteiligung an Therapieentscheidungen

  • Wahrnehmung von Risiko ist individuell verschieden.
  • Entscheidung über Anschlussbehandlung erfolgt im Gespräch mit dem Onkologen.
  • Grading ist Teil des ärztlichen Befunds („Tumorformel“) zusammen mit anderen Faktoren (Größe, Metastasen, Lymphknoten etc.).

Was bedeutet „Grading“?

Beim Grading beurteilt die Pathologie, wie stark das Tumorgewebe noch seinem Ursprungsgewebe ähnelt. Je größer die Ähnlichkeit, desto eher handelt es sich um einen weniger aggressiven Tumor. Weicht das Tumorgewebe deutlich von normalem Gewebe ab, spricht das für ein höheres Risiko. Das Grading liefert somit eine Prognose, keine Garantie.

Keine Lust zu Lesen? Hier sind alternative Medien:

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

FNCLCC-Grading-System

FNCLCC-Grading-System (Fédération Nationale des Centres de Lutte Contre le Cancer (Nationale Föderation der Krebsbekämpfungszentren in Frankreich))

Für die meisten, aber nicht für alle Sarkom-Subtypen wird das FNCLCC-Grading verwendet – ein seit über 50 Jahren etabliertes Schema aus Frankreich. Es ordnet Tumoren den Stufen G1 (niedriges Risiko) bis G3 (hohes Risiko) zu. Grundlage sind drei Parameter, aus denen eine Punktzahl („Score“) ermittelt wird.

Die drei Bewertungskriterien

1. Ähnlichkeit zum Ursprungsgewebe (Differenzierung)

  • 1 Punkt: Tumor sieht dem normalen Ausgangsgewebe sehr ähnlich.
  • 3 Punkte: Kaum noch Ähnlichkeit – Hinweis auf eine aggressivere Form.

2. Zellteilungsrate (Mitosezahl)
Mikroskopisch werden in einem definierten Areal die Zellteilungen gezählt.

  • 1 Punkt: 0 – 9 Mitosen
  • 2 Punkte: 10 – 19 Mitosen
  • 3 Punkte: ≥ 20 Mitosen

3. Anteil abgestorbener Zellen (Nekrosen)
Schnell wachsende Tumoren entwickeln oft Bereiche ohne ausreichende Blutversorgung.

  • 0 Punkte: Keine Nekrosen
  • 3 Punkte: ≥ 50 % Nekroseanteil

Punktzahl und Grading-Stufen

Die Punkte aller drei Kriterien werden addiert:

Übersicht über die Gradingstufen G1-G3 und was sie bedeuten.

G1-Tumoren sind prognostisch günstiger, während G3-Tumoren mit einer ungünstigeren Entwicklung verbunden sind.

Was bedeutet „aggressiv“ bei einem Tumor?

Der Begriff aggressiv beschreibt in der Onkologie, wie „durchsetzungsstark“ ein Tumor ist. Zwei Aspekte spielen dabei eine Rolle:

  • Lokale Aggressivität – Der Tumor wächst in umliegendes Gewebe ein, kann Blutgefäße zerstören und z. B. Blutungen auslösen.
  • Metastatische Aggressivität – Tumorzellen dringen in Blut- oder Lymphbahnen ein, schwimmen mit dem Kreislauf weiter und siedeln sich in anderen Organen an (Metastasenbildung).

Ob Tumorzellen an einem neuen Ort tatsächlich anwachsen, hängt von ihren inneren Signalwegen ab. Manche Tumoren können sich tarnen, Abwehrzellen umgehen und so leichter „Fuß fassen“, andere schaffen das nie.

Rolle des Immunsystems

Im Prinzip erkennt das körpereigene Immunsystem täglich einzelne fehlprogrammierte Zellen und entfernt sie. Auch geschädigte Zellen können sich selbst vernichten. Erst wenn diese Schutzmechanismen versagen, entsteht ein Netto-Zellgewinn – der Beginn eines Tumors.

Verbindung zwischen Grading und Therapiewahl: Grading als Entscheidungshilfe

  • G1 (niedriger Malignitätsgrad) – Das Hauptziel ist die lokale Kontrolle: vollständige Entfernung des Tumors, häufig allein durch eine Operation. Ist das umliegende Gewebe tumorfrei, sind die Heilungschancen hoch.
  • G3 (hoher Malignitätsgrad) – Hier besteht von Anfang an die Sorge, dass bereits Mikrometastasen vorliegen. Zusätzlich zur Operation werden daher oft systemische Therapien (z. B. Chemotherapie) eingeplant. Eine Bestrahlung kann helfen, den Tumorbereich besser zu kontrollieren, weil hochgradige Tumoren häufig schon ins umliegende Gewebe eingewachsen sind.

Warum wirkt Chemotherapie besonders bei schnell wachsenden Tumoren?

Viele klassische Chemotherapeutika greifen Zellen an, die sich gerade teilen. Enthält ein Tumor sehr viele Zellen in der Teilungsphase – typisch für aggressive, schnell wachsende G3-Tumoren – können entsprechend viele Zellen gleichzeitig zerstört werden. Es gibt jedoch auch Medikamente, die ruhende Zellen treffen; hier spielt die Teilungsrate eine geringere Rolle.

Grading als Teil der Prognoseeinschätzung

Neben der Wahl der passenden Therapie spielt das Grading auch eine zentrale Rolle bei der Prognose – also bei der Frage, wie sich die Erkrankung voraussichtlich weiterentwickeln wird.

Die Prognose basiert jedoch nicht auf einer hundertprozentig sicheren Vorhersage. Vielmehr handelt es sich um eine statistische Einschätzung: Die Erfahrungen aus vielen ähnlichen Fällen werden genutzt, um eine Tendenz für den individuellen Krankheitsverlauf abzuleiten. Ob ein einzelner Mensch dann zu den wenigen gehört, bei denen die Erkrankung erneut auftritt oder nicht, lässt sich nicht exakt voraussagen.

Unterschiedliche Einschätzung durch Patienten

Ein Beispiel: Wenn die Rückfallwahrscheinlichkeit bei 30% liegt, kann das von verschiedenen Personen sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Manche empfinden 30% als ein moderates Risiko und lehnen eine zusätzliche Therapie ab. Andere hingegen fühlen sich schon bei 10% unwohl und wünschen sich eine ergänzende Behandlung.

Daher ist das Gespräch mit dem behandelnden Onkologen so wichtig. Die Einschätzung des Risikos muss in Ruhe erklärt und gemeinsam besprochen werden, um eine individuell passende Entscheidung zu treffen.

Die Rolle des Onkologen in der Therapieplanung

Nach einer Operation oder einer anderen Erstbehandlung ist es die Aufgabe des Onkologen, auf Basis der vorhandenen Befunde – inklusive des Grading – einen Behandlungsplan zu erstellen. Diese Pläne beruhen in der Regel auf umfangreichen wissenschaftlichen Studien und Erfahrungswerten.

Wie das Grading in den Befund eingeht

Am Ende der pathologischen Untersuchung entsteht ein Gesamtbefund, der verschiedene Informationen zusammenführt:

  • Subtyp des Tumors
  • Tumorgröße
  • Befall von Lymphknoten
  • Vorhandensein von Metastasen
  • Grading bzw. Malignitätsgrad

Diese Angaben werden oft in einer „Tumorformel“ zusammengefasst, die eine strukturierte Übersicht bietet. Das Grading – oder auf Deutsch: der Malignitätsgrad – ist dabei ein fester Bestandteil. Beide Begriffe bedeuten dasselbe: Sie beschreiben den Grad der Bösartigkeit des Tumors. Welcher Ausdruck verwendet wird, hängt von der jeweiligen Einrichtung oder Fachperson ab.