Sarkome sind eine Gruppe seltener bösartiger Tumoren, die viele Betroffene zum ersten Mal hören, wenn sie selbst eine entsprechende Diagnose erhalten. Aufgrund der Seltenheit dieser Erkrankungen besteht oft Unsicherheit darüber, was Sarkome genau sind, wie sie erkannt werden und welche Behandlungsmöglichkeiten existieren.
Um Patienten und Angehörigen ein besseres Verständnis zu ermöglichen, ist es wichtig, die Grundlagen dieser Krebsform verständlich zu erklären. Dazu haben wir mit Professor Hohenberger vom Sarkomzentrum Mannheim, einem führenden Experten auf dem Gebiet der Sarkomtherapie, gesprochen.
Karin Strube
Mitgründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Strube Stiftung
Prof. Dr. Peter Hohenberger
Sektion Spezielle chirurgische Onkologie und Thoraxchirurgie im Sarkomzentrum Mannheim
Grundlagen Sarkome
Unterschiede zwischen Sarkomen und Karzinomen
Risikofaktoren und Ursachen
Diagnose und Fehler vermeiden
Behandlung von Sarkomen
Sarkomzentren: Warum sind sie wichtig?
Unterstützung und Austausch für Patienten
Sarkome sind eine spezielle Form von Krebs. Im Gegensatz zu häufigeren Krebsarten wie Brustkrebs, Lungenkrebs oder Darmkrebs treten sie vergleichsweise selten auf. Ein wesentliches Merkmal von Sarkomen ist, dass sie aus Bindegewebezellen entstehen – also aus Strukturen wie Muskeln, Fettgewebe, Knochen oder Blutgefäßen.
Da Bindegewebe überall im Körper vorhanden ist, können Sarkome prinzipiell in jeder Körperregion auftreten. Häufig werden sie zunächst nicht als bösartige Tumoren erkannt, da sie langsam wachsen und als harmlose Schwellungen fehlinterpretiert werden. Besonders an den Extremitäten kommt es oft vor, dass ein Sarkom zunächst für einen Bluterguss oder eine harmlose Verletzung gehalten wird. Erst wenn die Schwellung weiterwächst, erfolgt häufig eine genauere Untersuchung.
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Mehr InformationenObwohl Sarkome eine Form von Krebs sind, unterscheiden sie sich grundlegend von Karzinomen. Der wichtigste Unterschied liegt in der Zellart, aus der sie entstehen:
Sarkome werden je nach betroffenem Gewebe weiter unterteilt. Die wichtigsten Formen sind:
Diese Art von Sarkomen entsteht im Skelettsystem. Dazu gehören:
Sarkome, die in der Muskulatur entstehen, werden nach der Art der betroffenen Muskulatur benannt:
Da glatte Muskulatur in verschiedenen Organen vorkommt, können Leiomyosarkome unter anderem in der Gebärmutter, den Blutgefäßen oder im Verdauungstrakt auftreten.
Im Magen-Darm-Trakt treten Sarkome seltener auf als Karzinome. Die häufigste Form sind gastrointestinale Stromatumoren (GIST), die vor allem im Magen oder Dünndarm auftreten. Seltener kommen Leiomyosarkome in diesem Bereich vor.
Maligne periphere Nervenscheidentumoren (MPNST) entstehen aus den Hüllgeweben der Nerven.
Lymphangiosarkome entwickeln sich in den Lymphbahnen, oft als Folge einer chronischen Stauung, zum Beispiel nach einer Strahlentherapie.
Ein großes Problem bei Sarkomen ist ihre Seltenheit. Da viele Ärzte in ihrer Laufbahn nur wenige Fälle sehen, werden sie oft erst spät erkannt. Ein Beispiel ist die Gebärmutter: Dort treten Sarkome viel seltener auf als das häufigere Endometriumkarzinom. Deshalb wird zunächst oft ein gutartiger Tumor oder ein Karzinom vermutet. Auch an anderen Körperstellen denkt man in erster Linie an die häufigeren Krebsarten, bevor ein Sarkom in Betracht gezogen wird. Um eine genaue Diagnose zu stellen, sind spezialisierte Untersuchungen notwendig. Dazu gehören:
Sarkome lassen sich grob in zwei große Gruppen einteilen: Knochensarkome und Weichteilsarkome. Die Einteilung ist nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht wichtig, sondern auch für die Therapieplanung, da beide Gruppen unterschiedliche Erkrankungsgipfel und Behandlungsmöglichkeiten aufweisen.
Knochensarkome sind insgesamt seltener als Weichteilsarkome und treten häufig im Kindes- und Jugendalter auf. Besonders das Osteosarkom ist eine typische Erkrankung junger Menschen. Zwar können Knochensarkome auch bei Erwachsenen auftreten, aber die Mehrheit der Fälle betrifft Kinder und Jugendliche. Dank ausgefeilter Therapieregime lassen sich viele dieser Tumoren heutzutage gut behandeln.
Chondrosarkome, die vom Knorpel ausgehen, treten eher bei älteren Menschen auf. Derzeit gibt es erst erste erfolgversprechende Ansätze für eine medikamentöse Therapie, falls eine Operation nicht mehr möglich ist.
Die zweite große Gruppe sind Weichteilsarkome, die häufiger vorkommen als Knochensarkome. Sie können in jedem Alter auftreten, jedoch gibt es auch hier Erkrankungsgipfel:
Sarkome gelten als seltene Tumoren, ihre tatsächliche Häufigkeit ist jedoch nicht zu unterschätzen. Laut aktuellen Studien liegt die Inzidenz von Sarkomen bei etwa 6 pro 100.000 Einwohnern (rare cancer).
Obwohl diese Zahl gering erscheint, machen seltene Krebserkrankungen insgesamt fast ein Viertel aller Krebserkrankungen aus. Die Europäische Union hat daher ein Netzwerk für seltene Krebsarten etabliert, um die Versorgung und Forschung auf diesem Gebiet zu verbessern.
Für Kinder und Jugendliche mit Knochensarkomen gibt es mittlerweile ein gut funktionierendes Netzwerk von Kliniken, die sich auf diese seltenen Erkrankungen spezialisiert haben. Erwachsene Sarkompatienten standen jedoch lange Zeit ohne ein strukturiertes Versorgungsnetz da.
Ein wichtiger Meilenstein war die Etablierung von zertifizierten Sarkomzentren in Deutschland, die erst 2019 eingeführt wurden. Mittlerweile gibt es 21 solcher Zentren, doch die Versorgung der Patienten ist weiterhin nicht flächendeckend sichergestellt.
Ein besonderes Problem bei Sarkomen ist ihre enorme Vielfalt. Es gibt über 100 verschiedene Subtypen, die sich nicht nur in ihrer Herkunft, sondern auch in ihrem Ansprechen auf Therapien unterscheiden. Die Vielfalt der Sarkome zeigt, wie wichtig spezialisierte Zentren und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit sind, um die bestmögliche Behandlung für betroffene Patienten zu gewährleisten.
Im Gegensatz zu vielen anderen Krebserkrankungen, wie z. B. Lungenkrebs, der stark mit Rauchen assoziiert ist, gibt es für Sarkome keine eindeutig identifizierten Ursachen. Das bedeutet, dass Betroffene in der Regel nichts „falsch gemacht“ haben, was zu ihrer Erkrankung geführt haben könnte.
Allerdings gibt es seltene genetische Faktoren, die das Risiko erhöhen können. Ein Beispiel dafür ist das Li-Fraumeni-Syndrom. Bei dieser genetischen Veränderung ist das körpereigene Reparatursystem, das normalerweise entartete Zellen erkennt und beseitigt, eingeschränkt. Menschen mit diesem Syndrom haben daher ein erhöhtes Risiko, verschiedene Krebsarten – darunter auch Sarkome – zu entwickeln.
Nein, ein systematisches Screening für Sarkome existiert nicht. Da es keine klar definierte Risikogruppe gibt, wäre es nicht sinnvoll, eine allgemeine Früherkennung durchzuführen. Sarkome werden meist erst entdeckt, wenn sie Symptome verursachen oder zufällig in bildgebenden Untersuchungen auffallen.
Die Behandlung von Sarkomen hängt von mehreren Faktoren ab:
Generell gibt es über 100 verschiedene Sarkom-Subtypen, die sich unterschiedlich verhalten und dementsprechend unterschiedlich behandelt werden müssen.
In den meisten Fällen steht die operative Entfernung des Tumors im Vordergrund. Ziel der Operation ist es, das Sarkom vollständig zu entfernen, um die bestmöglichen Heilungschancen zu erzielen. Allerdings ist dies nicht immer möglich – beispielsweise, wenn der Tumor in einer ungünstigen Lage sitzt oder bereits Metastasen vorhanden sind.
Ein wichtiger Aspekt ist das sogenannte Grading, also die Einteilung der Aggressivität des Tumors:
Bei aggressiven Sarkomen kommt oft eine Strahlentherapie zum Einsatz, um verbliebene Tumorzellen zu zerstören und das Risiko eines Rückfalls (Rezidivs) zu senken. Dies kann vor oder nach der Operation erfolgen.
Im Gegensatz zu anderen Krebsarten, bei denen die adjuvante Chemotherapie (also eine Chemotherapie nach der Operation) als Standard gilt, ist die Datenlage bei Sarkomen nicht so eindeutig. Studien konnten bislang keinen klaren Nutzen einer routinemäßigen adjuvanten Chemotherapie nachweisen.
Allerdings gibt es Ausnahmen:
Hier kann eine ergänzende Chemotherapie sinnvoll sein, um das Risiko einer späteren Metastasierung zu senken. Die Entscheidung wird individuell getroffen und ausführlich mit den Patienten besprochen.
Aktuell bleibt die Immuntherapie für Sarkome noch ein experimenteller Ansatz, der vor allem in klinischen Studien untersucht wird.
Der wichtigste Schritt in der Diagnostik eines Sarkoms ist zunächst die richtige Verdachtsdiagnose. Viele Sarkome wachsen langsam und werden erst spät als ernstzunehmende Erkrankung erkannt. Eine Schwellung oder Knotenbildung sollte daher immer gründlich untersucht werden, bevor eine Behandlung begonnen wird.
Besonders problematisch ist, dass Sarkome manchmal vorschnell operiert werden – ohne vorherige Bildgebung oder eine Gewebeprobe. Das kann gravierende Folgen haben. Es kommt immer wieder vor, dass große Tumoren als vermeintliche Blutergüsse entfernt werden, nur um dann festzustellen, dass es sich um ein Sarkom handelt. Doch durch eine unüberlegte Operation kann die optimale Behandlung gefährdet werden.
Ein Beispiel: Eine Frau mit Brustkrebs würde niemals operiert werden, ohne vorher eine exakte Diagnose durch eine Biopsie und Bildgebung zu stellen. Warum sollte es bei einem Sarkom anders sein? Ein 8-mm-Brustkrebs wird hochpräzise untersucht, doch ein 8-cm-Sarkom wird manchmal ohne vorherige Diagnostik entfernt – das ist ein großer Fehler.
Die wichtigsten diagnostischen Schritte
Viele Patienten wissen nicht, dass sie das Recht haben, eine zweite Meinung einzuholen. Besonders wenn eine Schwellung einfach schnell operiert werden soll, ohne vorherige Bildgebung oder Gewebeprobe, sollte man hellhörig werden.
Nicht überstürzt operieren lassen:
Eine zweite Meinung einholen:
Auf eine vollständige Diagnostik bestehen:
Sarkome sind sehr selten – und gerade deshalb sollten sie an einem Spezialzentrum diagnostiziert und behandelt werden. In Deutschland gibt es derzeit 21 zertifizierte Sarkomzentren, die durch die Deutsche Krebsgesellschaft anerkannt sind. Diese Zentren müssen nachweisen, dass sie:
Eine Liste der zertifizierten Zentren findet sich auf den Websites der Deutschen Krebsgesellschaft oder der Deutschen Sarkom-Stiftung. Patienten können sich dort informieren oder ihren behandelnden Arzt bitten, eine Überweisung in ein Sarkomzentrum zu veranlassen.
Ein großer Vorteil der Sarkomzentren ist die enge Zusammenarbeit von Experten aus verschiedenen Fachrichtungen. Sarkome sind zu komplex, um von einem einzelnen Arzt allein behandelt zu werden. Deshalb gibt es in diesen Zentren sogenannte Tumorboards, in denen mehrere Spezialisten gemeinsam die beste Therapieoption für den Patienten besprechen.
Viele Krankenhäuser haben ein Tumorboard – aber nicht jedes Tumorboard hat Erfahrung mit Sarkomen. In allgemeinen Tumorboards liegt der Fokus oft auf häufigen Krebsarten wie Darmkrebs oder Brustkrebs. Deshalb ist es so wichtig, dass Sarkompatienten in ein spezialisiertes Zentrum gehen, wo die Expertise für ihre seltene Erkrankung vorhanden ist.
Sarkome sind nicht nur selten, sondern auch äußerst vielfältig. Betroffene stehen oft vor der Herausforderung, sich in einem komplexen medizinischen System zurechtzufinden. Doch neben der medizinischen Behandlung ist auch der Austausch mit anderen Betroffenen ein wichtiger Aspekt. Viele Patienten möchten mit Menschen sprechen, die ihre Situation verstehen, Erfahrungen teilen und praktische Tipps geben können.
Ein Arzt kann eine Diagnose erklären und eine Therapie empfehlen – aber den Alltag mit der Krankheit kann oft am besten jemand vermitteln, der selbst betroffen ist. Erfahrene Patienten wissen, was es bedeutet, mit den Nebenwirkungen einer Therapie umzugehen, welche Fragen man stellen sollte und wie man sich im Gesundheitswesen orientiert.
Besonders bei seltenen Sarkomen, die viele Ärzte nur wenige Male in ihrer Laufbahn sehen, kann der Austausch mit anderen Betroffenen eine wertvolle Unterstützung sein. Denn oft sind es kleine Alltagsfragen, die für Patienten besonders wichtig sind, die aber in einem Arztgespräch nicht immer besprochen werden.
Es gibt mehrere Organisationen und Plattformen, die sich speziell auf den Austausch zwischen Sarkompatienten konzentrieren:
Die Deutsche Sarkom-Stiftung
Die Deutsche Sarkom-Stiftung ist eine gemeinsame Organisation von Patienten und Experten. Sie setzt sich dafür ein, die Situation für Sarkom-Patienten in Deutschland zu verbessern und engagiert sie sich in Bereichen wie Patienteninformation und Interessensvertretung, Forschung, Fortbildung, Versorgungsstrukturen, Diagnose- und Behandlungsqualität. Die Stiftung bietet Patienten und Angehörigen verschiedene Möglichkeiten, sich über die Erkrankung, Diagnostik, Therapie etc. zu informieren und sich mit anderen Betroffenen zu vernetzen.
Website: www.sarkome.de
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