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Diagnostik von Knochensarkomen: Warum frühes Erkennen so schwierig ist

Am Universitätsklinikum Essen, einem ausgewiesenen Sarkomzentrum, beschäftigt sich unter anderem die Kinderklinik III, Leitung Prof. Dr. med Dirksen, mit der Diagnostik von Knochensarkomen. Die Erfahrung aus der Versorgung zeigt: Viele Betroffene haben bereits einen langen Weg hinter sich, bevor die richtige Diagnose gestellt wird. Das liegt vor allem daran, dass erste Anzeichen sehr unspezifisch sind und oft fehlgedeutet werden.

Foto von Karin Strube

Karin Strube

Mitgründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Strube Stiftung

Foto von Frau Prof. Dirksen

Univ.-Prof. Dr. med Uta Dirksen

Kommissarische Direktorin für Kinderheilkunde III am Universiätsklinikum Essen

Inhaltsverzeichnis

Wer ist betroffen?

  • Knochensarkome können in jedem Alter auftreten.
  • Häufigkeitsgipfel für Osteosarkom und Ewing-Sarkom: Jugendalter um ca. 15 Jahre.

Frühe Anzeichen

  • Unspezifische Schmerzen, oft zunächst nach Belastung
  • Warnsignale: anhaltende Schmerzen über Wochen, Schmerzen in Ruhe/nachts.
  • Schmerzquelle häufig die Knochenhaut (Periost).
  • „Wachstumsschmerz“ ist eine Ausschlussdiagnose – bei nachhaltigen Beschwerden weiter abklären.

Erste Bildgebung

  • Röntgen ist günstig und oft schon wegweisend.
  • Typische Muster:
    – Osteosarkom: kalkhaltige, „chaotische“ Knochenneubildung neben dem Knochen; Auflösung („schwarze Löcher“) im normalen Knochen.
    – Ewing-Sarkom: Auflösung im Schaftbereich; Periostreaktion mit Zwiebelschalenmuster und Spiculae.

Weiterführende Diagnostik 

  • MRT zur Beurteilung der Tumorausdehnung und der Lage zu Nerven/Gefäßen.
  • Bei Tumoren an Arm/Bein immer den gesamten betroffenen Knochen abbilden (mögliche zusätzliche Herde im gleichen Knochen; „Kompartment“).

CT und Staging

  • CT der Lunge gehört zur Standardabklärung, da Lungenmetastasen häufig und im CT am besten erkennbar sind; teils auch zur Darstellung von Rippen-Tumoren.
  • Strahlenbelastung höher als beim Röntgen; erstes CT oft dünnschichtig (mehr Dosis), Folgeuntersuchungen häufig als Low-Dose-CT.
  • Ganzkörper-Staging meist mittels PET-CT oder PET-MRT (Radioaktiv markierter Tracer zeigt aktive Bereiche).

Sarkomzentrum – wann hin?

  • Sofort bei Verdacht (z. B. nach auffälligem Röntgen/MRT) Überweisung ins Sarkomzentrum.
  • Zentren koordinieren die weitere Diagnostik (CT, PET-CT/-MRT) und Auswertung.
  • Suche nach Zentren: z. B. über OnkoZert, Deutsche Sarkom-Stiftung, Webauftritte der Zentren.
  • Bei dringendem Verdacht sind zeitnahe Termine üblich.

Biopsie

  • Unverzichtbar zur exakten Diagnose der Tumorart.
  • Verfahren: operative Biopsie (kleiner Schnitt) oder Nadel-/Stanzbiopsie.
  • Meist mehrere Stanzen aus einer Einstichstelle (fächerförmig), um ausreichend Gewebe zu gewinnen.
  • Untersuchungen in der Pathologie: Histologie, Sonderfärbungen, ggf. molekulare Diagnostik
  • Wegen der Seltenheit von Knochensarkomen sollten Proben in erfahrenen Zentren gewonnen und bei Bedarf an Spezialisten (inkl. Zweitmeinung) geschickt werden.

Ziel der gesamten Diagnostik

  • Exakte Benennung der Tumorart als Grundlage der Therapieplanung.
  • Knochensarkome werden unterschiedlich behandelt; häufig folgt nach der Diagnosesicherung eine Chemotherapie.

Wer kann betroffen sein?

Knochensarkome können grundsätzlich in jedem Alter auftreten. Die beiden häufigsten bösartigen Formen, das Osteosarkom und das Ewing-Sarkom, zeigen jedoch einen Häufigkeitsgipfel im Jugendalter – etwa um das 15. Lebensjahr. In dieser Lebensphase wird an Krebs oft gar nicht gedacht, was die Diagnose oft verzögert.

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Typische erste Anzeichen

Das häufigste Symptom sind Schmerzen im Bereich des betroffenen Knochens. Häufig werden sie erstmals nach körperlicher Belastung bemerkt – etwa nach einem Sprint, einem Sprung oder beim Tanzen. Die Beschwerden können zwischenzeitlich wieder nachlassen. Viele deuten sie deshalb zunächst als Zerrung oder Überlastung.

Ein Warnsignal ist, wenn die Schmerzen nach einigen Wochen weiterhin bestehen oder neu auch in Ruhe bzw. nachts auftreten. Spätestens dann sollte ärztlicher Rat eingeholt werden.

Warum die Schmerzen entstehen: die Rolle der Knochenhaut

Die Schmerzen rühren häufig von der Knochenhaut (medizinisch: Periost) her. Sie ist reich an Nervenfasern und sehr schmerzempfindlich – das merkt man auch, wenn man sich am Schienbein stößt oder einen Knochenbruch erleidet. Wird die Knochenhaut gereizt, können bereits geringe zusätzliche Belastungen deutliche Schmerzen auslösen.

Häufige Fehldeutungen im Alltag

„Häufig ist häufig“ – diesem Prinzip folgend werden die Beschwerden anfangs oft als Zerrung, Prellung oder Muskelverspannung eingeschätzt. Ratschläge wie Schonung, Kühlung oder eine schmerzlindernde Salbe sind in dieser Phase üblich. Das trägt jedoch dazu bei, dass wertvolle Zeit vergeht, bis an eine Tumorursache gedacht wird.

Was Betroffene und Angehörige tun sollten

Anhaltende oder nächtliche Knochenschmerzen sollten ernst genommen und ärztlich abgeklärt werden. Das gilt insbesondere, wenn die Beschwerden trotz Schonung nicht verschwinden oder immer wiederkehren. Ein frühzeitiger Arztbesuch kann den Weg zur richtigen Diagnose deutlich verkürzen.

Wichtiger Hinweis für die ärztliche Beurteilung

In der Kinder- und Jugendmedizin wird bei wiederkehrenden Beinschmerzen häufig der Begriff „Wachstumsschmerz“ verwendet. Diese Bezeichnung ist eine Ausschlussdiagnose: Sie kommt erst in Betracht, wenn ernsthafte Ursachen unwahrscheinlich sind. Bei nachhaltigen Schmerzen ist eine weiterführende Abklärung erforderlich.

Bildgebung bei Knochensarkomen: Was zuerst hilft

Knochensarkome lassen sich häufig bereits mit einer einfachen, kostengünstigen Untersuchung erkennen: dem konventionellen Röntgenbild. Viele Patienten erhalten diese erste Bildgebung in der Haus- oder Facharztpraxis.

Röntgen: Typische Zeichen

Auf einem normalen Röntgenbild zeigen sich bei bösartigen Knochentumoren charakteristische Muster:

  • Osteosarkom: Der Tumor entsteht aus knochenbildenden Zellen und produziert „chaotischen“ neuen Knochen. Sichtbar wird neben dem eigentlichen Knochen eine kalkhaltige Tumormasse; gleichzeitig finden sich im normalen Knochen „schwarze Löcher“, weil Tumorgewebe Knochen auflöst.
  • Ewing-Sarkom: Häufig ist eine Auflösung des Knochens in der Mitte zu sehen. Typisch ist zudem eine Reizung der Knochenhaut (Periost) mit „Zwiebelschalenmuster“: Die Knochenhaut wirkt wie mehrlagig aufgeworfen. Außerdem können aus dem Knochen strahlenartige Linien herausragen, sogenannte Spiculae.

Ähnliche Veränderungen können in seltenen Fällen auch durch eine Knochenentzündung entstehen. Auch das sollte erkannt und entsprechend behandelt werden.

Blutuntersuchungen: Kaum wegweisend

Spezifische Blutwerte, die ein Knochensarkom beweisen, gibt es nicht. Bei größeren Tumoren können Entzündungszeichen leicht erhöht sein. Das ist unspezifisch und kann auch in eine falsche Richtung deuten.

Weiterführende Diagnostik beim Facharzt: MRT

Bei Verdacht auf ein Knochensarkom wird in der Regel eine MRT durchgeführt. Gründe:

  • Ausdehnung des Tumors: Die MRT zeigt, wie weit der Tumor reicht und wie er zu Nerven und Blutgefäßen liegt – wichtig für die spätere Operation.
  • Gesamter Knochen im Blick: Liegt der Tumor an einer Extremität (Arm oder Bein), muss immer der gesamte betroffene Knochen abgebildet werden. Knochentumoren können zusätzlich kleinere Tochterherde im gleichen Knochen bilden; diese Information ist entscheidend. Der Fachbegriff „Kompartment“ wird in diesem Zusammenhang verwendet.

Ablauf und Erfahrungen

Die MRT arbeitet ohne Strahlenbelastung und basiert auf starken Magnetfeldern. Die Untersuchung findet in einer engen Röhre statt und ist laut; ein Gehörschutz ist wichtig.

  • Kontrastmittel: Zur besseren Beurteilung des Tumors wird meist Kontrastmittel gegeben. Manche Menschen spüren dabei ein Wärmegefühl. Das ist in der Regel keine allergische Reaktion, sondern ein vorübergehendes Empfinden, weil die Flüssigkeit in die Adern läuft.
  • Vorbereitung, besonders bei Kindern: Eine gute Aufklärung nimmt Ängste. In Essen wird zur Vorbereitung jüngerer Patientinnen und Patienten ein Virtual-Reality-Training („Pingunauten-Trainer“) eingesetzt. In einer simulierten Umgebung wird das Stillliegen geübt und die Geräuschkulisse kennengelernt. Viele kommen dadurch ruhiger durch die Untersuchung; manche schlafen sogar ein.

Computertomografie (CT) als fester Bestandteil der Diagnostik

Bei Knochensarkomen gehört ein CT zur Basisabklärung. Ziel ist vor allem, Tochtergeschwulste (Metastasen) aufzuspüren, die bei diesen Tumoren häufig in der Lunge auftreten. Die Lunge lässt sich im CT deutlich besser beurteilen als mit anderen Verfahren. Je nach Lage – etwa bei Tumoren, die von der Rippe ausgehen – kann das CT auch für die Darstellung des Primärtumors Vorteile haben. In einzelnen Situationen werden MRT und CT ergänzend eingesetzt.

Strahlenbelastung: Einordnung und Dosisreduktion

Die Strahlenbelastung eines CT ist höher als bei einem normalen Röntgenbild. Moderne Geräte arbeiten jedoch mit geringeren Dosen als ältere. Meist wird das erste CT sehr dünnschichtig und detailliert durchgeführt, was eine höhere Dosis bedeuten kann. Nachfolgende Kontrollen sind oft als Low-Dose-CT möglich. Entscheidend ist: Die exakte Diagnose und Behandlungsplanung haben Vorrang – ohne präzise Bildgebung können Herde übersehen werden.

Ablauf und Patientenerlebnis im CT

Das CT-Gerät ist kein enger Tunnel, sondern eher ein großer Ring. Die Untersuchung ist kurz, macht vergleichsweise wenig Geräusche und wird von vielen als gut tolerierbar empfunden.

Staging: Ganzkörperuntersuchung zu Beginn

Zur Erstabklärung (Staging) wird zusätzlich eine Ganzkörperuntersuchung durchgeführt – bevorzugt PET-MRT oder PET-CT. Dabei wird ein leicht radioaktiv markierter Stoff gespritzt, der sich in Bereichen mit erhöhter Aktivität anreichert. Auf den Bildern erscheinen solche Areale auffällig „leuchtend“; der übrige Körper ist nur mild gefärbt.

PET-Bildgebung: Aussagekraft und Interpretation

Organe mit dauerhafter Aktivität wie Herz und Gehirn leuchten immer. Die PET-basierte Ganzkörperbildgebung liefert einen zuverlässigen Überblick bis in entlegene Körperregionen und hilft, Streuherde zu erkennen. Sie ist jedoch nicht vollständig spezifisch: Entzündungen oder frische Verletzungen können ebenfalls „leuchten“. Deshalb werden die Befunde immer im Zusammenhang mit der Krankengeschichte und den übrigen Untersuchungen interpretiert.

Wann in ein Sarkomzentrum?

In ein Sarkomzentrum sollte man gehen, sobald der Verdacht auf ein Sarkom besteht. Das kann bereits nach einer auffälligen Röntgenaufnahme der Fall sein. Niedergelassene Ärzte können Betroffene dann direkt an ein Zentrum überweisen; dort wird die weitere Diagnostik koordiniert.

Was wird im Zentrum organisiert?

Die weiterführende Bildgebung (z. B. CT der Lunge oder PET-CT/PET-MRT für das Ganzkörper-Staging) wird meist im Zentrum durchgeführt, weil diese Verfahren dort regelhaft verfügbar sind.

Ein MRT kann – je nach Verfügbarkeit – auch außerhalb des Zentrums entstehen; die Planung und Auswertung erfolgen jedoch in der Regel durch das Zentrum.

So findet man ein zertifiziertes Sarkomzentrum

  • OnkoZert veröffentlicht in Deutschland zertifizierte Zentren.
  • Informationen gibt es außerdem bei der Deutschen Sarkomstiftung.
  • Die Zentren haben einen eigenen Webauftritt und lassen sich über einschlägige Suchbegriffe gut finden.

Termine und Aufnahme

Bei dringendem Verdacht auf ein Sarkom bemühen sich die Zentren um zeitnahe Termine. Das Personal in den Zentren weiß, wie wichtig eine schnelle Anbindung für Diagnostik und Therapie ist; lange Wartezeiten sind in dieser Situation nicht die Regel.

Biopsie bei Knochensarkomen

Eine Biopsie ist die Entnahme einer Gewebeprobe aus der verdächtigen Region. Nur anhand dieses Gewebes kann sicher festgestellt werden, welche Tumorart vorliegt – eine unverzichtbare Grundlage für die weitere Behandlung.

Wie wird die Probe entnommen?

Es gibt zwei gängige Verfahren:

  • Operative Biopsie: Über einen kleinen Schnitt wird etwas Tumorgewebe entnommen und die Wunde wieder verschlossen.
  • Stanz-/Nadelbiopsie: Mit speziellen Biopsienadeln werden mehrere Proben entnommen. Häufig nutzt man eine Einstichstelle und geht von dort fächerförmig in leicht unterschiedliche Richtungen.

Welche Methode gewählt wird, hängt von Lage und Art des Tumors ab.

Warum sind mehrere Proben wichtig?

Für eine verlässliche Diagnose braucht es genug Material. Zu kleine Proben bedeuten oft, dass nachentnommen werden müsste – eine zusätzliche Belastung. Mehrere Nadelstanzen erhöhen die Chance, dass alle notwendigen Untersuchungen möglich sind.

Was passiert mit dem Gewebe?

Die Proben gehen schnell in die Pathologie. Dort erfolgen:

  • Mikroskopie der eingebetteten Gewebestücke,
  • spezielle Färbungen (z. B. zur besseren Zellbeurteilung),
  • bei Bedarf molekulare Diagnostik (Überprüfung auf genetische Veränderungen).

Für Molekulartests wird teils frisches und nicht eingebettetes Material benötigt – ein weiterer Grund, ausreichend zu entnehmen.

Warum gehört die Biopsie in erfahrene Hände?

Knochensarkome sind selten. Es gibt zwar viele sehr gute Pathologien, aber nur wenige sehen diese Tumorarten regelmäßig. In Sarkomzentren wird die Biopsie so geplant, dass genügend Material vorliegt, und die Proben werden bei Bedarf gezielt an Spezialisten geschickt – inklusive Zweitmeinung je nach vermuteter Sarkomart.

Ziel der gesamten Diagnostik

Erst wenn klar ist, wie der Tumor genau heißt, kann die Therapie richtig geplant werden. Knochensarkome unterscheiden sich deutlich voneinander und werden unterschiedlich behandelt. Nach der Diagnosesicherung folgt häufig der nächste Schritt der Behandlung, meist eine Chemotherapie.