Lungenkrebs wird leider häufig erst sehr spät entdeckt. Erfahren Sie in diesem Interview, wie die Lunge funktioniert und welche Beschwerden Sie unbedingt ernst nehmen sollten.
Prof. Dr. med. Hans-Georg Kopp
Chefarzt der Onkologie am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart
Karin Strube
Mitgründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Strube Stiftung
Aufbau und Funktionsweise der Lunge
Pleura (Rippfell) und Pleuraerguss
Zwerchfell und seine Rolle bei der Atmung
Luftröhre und Bronchien
Symptomatik und Früherkennung
Rauchen und Lungenkrebsverteilung
Ausbreitung von Lungenkrebs
Die Lunge ist im Grunde aufgebaut wie ein Baum. Dieser hat einen Stamm, zwei Hauptäste, die sich immer feiner verzweigen und am Ende kommen die Blätter. Wenn man sich das Ganze mit Luft gefüllt vorstellt und auf den Kopf stellt, hat man ein Modell der Lunge.
Der Stamm ist die Luftröhre, die beiden Hauptäste sind die Hauptbronchien und dann wird es immer kleiner. Die luftleitenden Atemwege werden als Bronchien bezeichnet. Die Blätter sind die Lungenbläschen oder Alveolen.
Dieser Baum hat zwei unterschiedlich große Hälften. Das liegt daran, dass das Herz im Brustkorb einen Platz beansprucht, sodass die linke Lunge ein bisschen kleiner ist. Wir können die Lunge weiter unterteilen in Lungenlappen. Das sind anatomisch voneinander getrennte Anteile in der Lunge. Die rechte Lunge hat drei Lungenlappen: Oberlappen, Mittellappen und Unterlappen. Auf der linken Seite sind nur zwei Lappen, da weniger Platz ist.
Diese Unterscheidung ist für den Chirurgen von entscheidender Bedeutung. Eine Krankheit, die auf einen Lungenlappen beschränkt ist, wird man immer versuchen so zu behandeln, dass eine Heilungschance resultiert. Und die kann man am besten ergreifen, wenn man den ganzen Lungenlappen entfernt. Dieser lässt sich anatomisch klar mit seiner Luft- und Blutversorgung absetzen. Und damit hat man die höchsten Chancen auf eine Heilung bei einer beschränkten Krankheit.
So wie Landmassen von Flüssen getrennt werden, so ist es in dem Fall auch, dass sich der Tumor oder die Metastasen nicht so einfach in einen anderen Lappen hineinbilden können. Bei einem Land mit ganz vielen Flüssen wird z.B. einer trockengelegt. Die Region, die austrocknet, war die Region, die von diesem Fluss versorgt wurde und so geht es mit der Luft- oder Blutversorgung in der Lunge.
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Mehr InformationenPleura bedeutet auf deutsch Rippfell. Fell meint in der mittelhochdeutschen Sprache, einer alten ausgestorbenen Sprache, Haut. Mit Fell ist tatsächlich eine Haut gemeint.
Dieses Rippfell ist eine Haut, die den Brustkorb von innen und die Lunge von außen überzieht. Die Lunge ist nicht am Brustkorb angewachsen, sondern zwischen Brustkorb und Lunge ist ein kleiner Spalt. Die zwei bewegen sich zueinander wie zwei Glasscheiben, die Sie zusammenbringen, indem sie einen Tropfen Wasser dazwischen machen und dann bekommen Sie die nicht mehr voneinander weg, auch wenn man zieht. Aber sie gleiten aneinander vorbei und bei jedem Atemzug folgt die Lunge deshalb der Bewegung des Brustkorbs.
In dem Moment, in dem Sie von außen oder von innen ein Loch reinmachen, „schnurzelt“ die Lunge zusammen. Die Lunge würde sich sonst nicht entfalten. Sie entfaltet sich so, weil sie dranhängt, aber nicht verwachsen ist.
Dazwischen ist ein Flüssigkeitsfilm und der ist ständig in einem Gleichgewicht. Es wird ein bisschen Flüssigkeit gebildet, paar Milliliter und paar Milliliter werden auch wieder aufgenommen, so dass das gerade gut funktioniert. In dem Moment, in dem dieses dynamische Gleichgewicht gestört ist, zum Beispiel weil aufgrund einer Störung (z. B. einer Entzündung) ganz viel Flüssigkeit gebildet wird oder aber weil diese Flüssigkeit nicht mehr richtig aufgenommen werden kann, weil die Lymphgefäße durch einen Tumor verstopft sind, sammelt sich in diesem Zwischenraum Flüssigkeit an. Wenn das extrem ist, kann sich die Lunge nicht mehr richtig ausdehnen und die Patienten merken, dass sie nicht mehr richtig Luft bekommen oder schneller außer Atem sind.
Beim Abklopfen hört man einen anderen Schall, da darunter nicht mehr hohl ist. Beim Abhören hört man an der Stelle nichts und darüber hört sich die Lunge so an, wie sie normalerweise klingt. Dann ist klar, dass es sich um einen Erguss handelt. Dieser muss besonders bei Patienten, die bisher nicht krank waren, schnell abgeklärt werden, indem man zwischen zwei Rippen mit einer Nadel den Erguss abzieht.
Aus der Erguss-Analyse kann man häufig bereits eine Verdachtsdiagnose stellen. Ein Pleuraerguss kann bei Lungenkrebs auftreten, aber auch aus anderen Gründen. Es gibt viele unterschiedliche Gründe, es ist nicht immer automatisch Lungenkrebs. Viele herzkranke Menschen haben Pleuraergüsse, weil sich Flüssigkeit in die Lunge zurückstaut, da die Pumpe davor nicht mehr richtig funktioniert. Es kann sich so viel Flüssigkeit zurückstauen, dass diese abgepresst wird und dann behandelt man mit entwässernden Mitteln. Das hat nichts mit Krebs zu tun. Schmerzen spürt man bei einem Pleuraerguss typischerweise nicht.
Man kann die Lunge ausdehnen, indem man ganz bewusst in den Brustkorb einatmet. Oder man atmet bewusst in den Bauch ein. Das ist die Zwerchfellatmung. Das Zwerchfell spannt sich an, zieht die Lunge nach unten oder weitet den Brustkorb. Beides ist geeignet, die Lunge mit Luft zu füllen. Kernaussage ist: Das Zwerchfell macht die Atmung. Das ist die Muskelplatte, die man für die Atmung braucht. Und die ist von der Oberseite auch mit Rippfell überzogen.
Kann es da Probleme geben?
Das Zwerchfell macht im Zusammenhang mit Lungenkarzinomen auf verschiedene Weise manchmal Probleme. Erstens kann der Zwerchfellnerv unter Umständen gelähmt sein. Entweder weil Krebszellen schuld sind, dass er nicht mehr richtig arbeitet oder nach einem operativen Eingriff, bei dem er beschädigt wird. Wenn der Zwerchfellnerv nicht mehr funktioniert, steht das Zwerchfell hoch und ist gelähmt und nimmt nicht mehr an der Atemverschieblichkeit teil.
Beim Untersuchen hört es sich so ähnlich wie ein Zwerchfellerguss an. Das ist aber in Wirklichkeit ein Zwerchfellhochstand.
Und das zweite ist, wenn die Pleura (Rippfell), die auf dem Zwerchfell sitzt, vom Tumor befallen ist, ist das auch ein Ausbreitungsgrad, bei dem es schwierig wird, operativ ranzugehen. Das ist für den Thoraxchirurgen ein extra Thema.
Die Luftröhre ist bei dem auf den Kopf gestellten Baum der Stamm. Da wird nur Luft geleitet, es findet kein Gasaustausch statt. Wenn dort ein Tumor wäre, wäre das Lungenkrebs?
Das wäre ein Trachealkarzinom. Das ist selten. Das sind Tumoren, die in den Drüsen entstehen. Etwas ganz Eigenes, insgesamt Seltenes. Die echten Lungenkarzinome gehen in den Hauptbronchien los. Häufiger sind Adeno-Karzinome, eher peripher entstehende Tumoren.
Wenn man die Lunge spiegelt, sieht man die Luftröhre gut und die beiden Hauptbronchien und dann geht es noch in die Unterlappen-, Mittellappen-, Oberlappenbronchien. Aber dann wird es ganz schnell so eng, dass man nicht mehr weitersieht. Es ist gar nicht so häufig, dass der Bronchoskopeur den Tumor sieht. Das ist nur dann der Fall, wenn der Tumor zentral sitzt. Dann kann man eine Probe nehmen.
Sehr häufig gelingt das nicht, dann muss man entweder mit speziellen Navigationsmöglichkeiten in die Richtung gehen oder aber man hat von innen einen kleinen Ultraschallkopf am Endoskop und sieht, dass ein vergrößerter Lymphknoten neben dem Bronchus ist, piekst durch die Bronchuswand ultraschallgesteuert von innen in den Lymphknoten rein und holt sich dort Material.
Da findet das statt, wofür die Lunge bekanntermaßen zuständig ist: Kohlendioxid raus und Sauerstoff rein. Das sind die mikroskopisch kleinsten endfunktionellen Hauptbestandteile der Lunge. Die heißen Alveolen oder Lungenbläschen. Man kann sie mit bloßem Auge nicht erkennen. Das sind viele Milliarden kleiner Bläschen.
Gerade am Anfang der Erkrankung haben die Leute unspezifische Symptome. Ein Hauptproblem beim Lungenkrebs ist, dass er sehr spät bemerkt wird. Erst dann, wenn die Tumoren deutlich fortgeschritten sind.
Da die Lunge im Inneren keine sensiblen Nerven hat, spürt man nichts. Bemerkbar wird Lungenkrebs, wenn zum Beispiel das Rippfell befallen ist, weil sich dann ein Erguss bildet. Rippfellbefall bedeutet automatisch ein bereits fortgeschrittener Tumor. Viele Patienten werden deshalb symptomatisch, weil Metastasen ein spürbares Problem machen.
Die ersten Manifestationen sind Konzentrations-, Sehstörungen oder Schwindel als Zeichen von Hirnmetastasen oder aber Schmerzen, wenn Knochenmetastasen problematisch werden. Es gibt sehr wenig Frühsymptome, auch Husten oder Blutauswurf beim Husten ist meistens schon ein Zeichen, dass ein Tumor groß geworden ist und dafür sorgt, dass Teile der Lunge gar nicht mehr richtig belüftet werden. Dann entstehen zum Beispiel Lungenentzündungen. Man spricht von poststenotischer Pneumonie, einer Lungenentzündung hinter einer Atemwegsverlegung. Aber das sind alles Zeichen einer zumindest örtlich schon fortgeschrittenen Erkrankung.
Wenn man den Lungenkrebs früh erwischen will, dann mit einer Computertomografie der Lunge. Da sieht man auch kleine Tumoren, die die Patienten nicht spüren. Auf einem normalen Röntgenbild würde man das nicht sehen, da das Röntgen viel grober ist. Es taugt nicht zur Früherkennung.
Bei folgenden Symptomen sollte man auf jeden Fall zum Arzt gehen:
Chronischer Husten, der über Wochen bleibt, ist ein wichtiges Frühthema oder Husten mit Blutbeimengungen. Das sind Alarmzeichen.
Neu aufgetretene Heiserkeit. Wenn ein Patient mit einem hohen Lungenkrebsrisiko (z. B. Raucher) heiser ist, sollte man keine Bildgebung vom Kehlkopf machen, da in den meisten Fällen ein Tumor, der zentral im Brustkorb sitzt, schuld ist. Das hat einen besonderen anatomischen Hintergrund. Der Nerv, der dafür zuständig ist, dass die Stimmlippen (Stimmbänder) aufgehen, macht eine Runde um die Hauptbronchien, nach unten in den Thorax und wieder hoch. Recurrens-Nerv oder Nervus laryngeus recurrens. Wenn dieser gedrückt wird, steht meistens die Stimmlippe auf einer Seite still und die Patienten sind heiser. Ein häufiges Thema zur Erstdiagnose. Beim Blick in den Mund sieht man nichts.
Weiterführende Inhalte zum Thema Lungenkrebs:
Der Lungenkrebs entsteht in der Lunge. Entweder in der zentralen Lunge (Plattenephitel-Karzinome) oder in der Lungenperipherie (Adeno-Karzinome). In der Zeit, in der mehr Zigaretten ohne Filter geraucht wurden, waren die zentralen Plattenepithel-Karzinome häufiger (große Partikel). Seit es Filterzigaretten gibt, werden die raucherassoziierten Karzinome häufiger periphere Adeno-Karzinome. Das ist abhängig davon, wie groß der schädigende krebsstimulierende Partikel ist und wie weit er in die Peripherie kommt.
Ist es egal, ob ich mit oder ohne Filter rauche?
Prinzipiell sollte man gar nicht rauchen. Der Filter, der filtert sicherlich groben Ruß und Teer heraus. Aber die kleinen Aromaten und schädigenden Stoffe gehen trotzdem durch.
Das ist eine häufige Fehlannahme, dass der Filter das Krebsrisiko gewaltig senkt. Es entstehen nur andere Arten von Lungenkrebs.
Ist das Rauchen einer Wasserpfeife problematisch oder filtert das Wasser schädigende Teile raus?
Wasser filtert gar nichts raus. Es entstehen Bläschen, die voller Tabakrauch sind und die Tatsache, dass das einmal durchs Wasser geht, hat keinerlei filternden Effekt. Man kann davon ausgehen, dass ein Abend in der Shisha Bar wie vier Schachteln Zigaretten rauchen ist – das haben Heidelberger Forscher überschlagen berechnet.
Es beginnt eigentlich immer in der Lunge. Die Tumoren haben die Eigenschaft, sich nicht an anatomische Grenzen zu halten. Der zunächst kleine Tumorzellhaufen wird größer, breitet sich erst lokal aus und dann gewinnen die Tumoren Anschluss an Lymphgefäße. Lymphspalten können über die Lymphbahnen (ähnlich wie Blutgefäße) bis in die Lymphknoten weitergehen. Das ist meistens die erste Station.
Das Nächste, was betroffen sein wird, sind Lymphknoten an der Stelle, wo die Lungenseite an dem Hauptbronchus angewachsen ist. Der sogenannte Hilusbereich (Eintrittspforte). Dort sind die ersten Lymphknoten und der nächste Punkt, wo sie sich ausbreiten, sind die sogenannten mediastinalen Lymphknoten. Mediastinum ist anatomisch die Region, wo das Herz sitzt, die Luftröhre, die Speiseröhre, die großen Gefäße. Da gibt es normalerweise ganz viele Lymphknoten und die sind häufig von Krebs befallen.
Im übernächsten Schritt geht es über die Blutbahn in den Körper. Lungenkrebs hat tatsächlich ein paar Lieblingsstellen. Deshalb werden immer die Nebennieren angeschaut. Nebennieren sind kleine Organe, aber aus irgendeinem Grund findet man dort besonders häufig Metastasen. Es werden aber auch Metastasen in der Leber, im Gehirn oder in den Knochen gefunden. Überall wo man es sich vorstellen kann.
Bei der Diagnose hilft das PET-CT. Das PET-CT ist eine spezialisierte Computertomografie, bei der man einerseits Schnittbilder macht, auf der anderen Seite aber auch Stoffwechselvorgänge darstellen kann. Man sieht Vergrößerungen, aber auch Stoffwechselaktivität. Damit kann man mit einer relativ hohen Genauigkeit sagen, wo sich der Tumor überall hin ausgebreitet hat.