Neben bekannten Krebsarten wie Magen- oder Darmkrebs gibt es auch seltenere Tumorerkrankungen im Verdauungstrakt, die oft kaum bekannt sind. Eine davon ist der sogenannte GIST, eine Abkürzung für gastrointestinaler Stromatumor. Diese Tumoren gehören zur Gruppe der Sarkome. Frau Dr. Falkenhorst erklärt das Thema ausführlich. Sie ist Onkologin am Sarkomzentrum Uniklinikum Essen und forscht auch zum Thema GIST.
Karin Strube
Mitgründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Strube Stiftung
Dr. med johanna Falkenhorst
Fachärztin für innere Medizin, Hämatologie und Okologie am Universiätsklinikum Essen
Was ist GIST?
Unterschied zu anderen Krebsarten
Diagnose und Früherkennung
Wer ist betroffen?
Ursache: genetische Veränderungen
Therapie
Prognose und Lebensqualität
Der Begriff GIST steht für gastrointestinaler Stromatumor. Diese Tumorart ist relativ jung – sie wurde erst 1998 als eigenständige Erkrankung beschrieben. Zuvor hielt man GIST für andere Tumorformen, etwa sogenannte Leiomyosarkome. Erst mit neuen Erkenntnissen stellte man fest, dass sich GIST anders verhalten als andere Tumoren. Das Wort „gastrointestinal“ beschreibt den Magen-Darm-Trakt, während „Stroma“ das Binde- oder Stützgewebe bezeichnet, das zwischen den funktionellen Gewebeschichten liegt. Das erklärt auch die Lage des Tumors: GIST wachsen nicht direkt in die Organe hinein, sondern entwickeln sich zwischen den Gewebeschichten oder breiten sich vom Organ nach außen hin aus.
Davon abzugrenzen sind sogenannte Knochenmetastasen. Diese entstehen, wenn ein anderer Tumor – zum Beispiel Brust- oder Prostatakrebs – in andere Körperregionen gestreut hat und sich dabei auch im Knochen ansiedelt. Solche Metastasen im Knochen sind häufiger als Knochensarkome.
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Mehr InformationenObwohl GIST zu den Sarkomen zählen, unterscheiden sie sich stark von anderen Sarkomarten. Der wichtigste Unterschied liegt in ihrer genetischen Veränderung, die bewirkt, dass sie nicht mit einer klassischen Chemotherapie behandelt werden. Stattdessen spricht diese Tumorart auf zielgerichtete Therapien.
Sarkomzentren in Deutschland sind verpflichtet, sich an die sogenannte S3-Leitlinie zu halten. Diese Leitlinie umfasst auch die Behandlung von gastrointestinalen Stromatumoren. Dennoch sieht nicht jedes Sarkomzentrum gleich viele GIST-Patienten. Daher ist es wichtig, sich an ein Zentrum zu wenden, das besondere Erfahrung mit dieser Tumorart hat.
GIST entstehen überwiegend im Magen, gefolgt vom Dünndarm – insbesondere im Zwölffingerdarm. Seltener treten sie im Enddarm (Rektum) oder in der Speiseröhre im unteren Bereich auf. Wenn sich der Tumor ausbreitet, entstehen sogenannte Streuherde, die häufig in der Leber oder im Bauchfell zwischen den Darmschlingen zu finden sind.
Der wichtigste Unterschied zwischen GIST und klassischem Darmkrebs liegt in der Ursprungszelle. Darmkrebs ist ein Karzinom, das aus Schleimhautzellen entsteht. Diese Tumoren wachsen nach innen in den Darm hinein, sind bei einer Darmspiegelung oft gut sichtbar und verursachen häufig frühzeitig Symptome wie Blutungen oder zerdrücken den Darm.
GIST hingegen entstehen eine Schicht tiefer, in einer Schicht unterhalb der Schleimhaut, wo sich Muskeln und Nervenzellen befinden, die die Bewegung des Darms steuern. Eine typische genetische Veränderung bei GIST ist die sogenannte KIT-Mutation.
Da diese Tumoren unter der Schleimhaut und nicht so schnell nach innen wachsen, sind sie bei einer Spiegelung oft erst dann sichtbar, wenn sie bereits größer sind.
Im Gegensatz zu Karzinomen, die meist sternförmig in umliegendes Gewebe einwachsen, zeigen GIST eine kugelige Form und wachsen nach außen. Sie drücken dabei die Gewebeschichten auseinander, ohne sich stark in benachbarte Strukturen einzufressen. Auch bei einer Bauchspiegelung sind sie nicht immer sofort zu erkennen.
Im Magen zeigen sich ähnliche Strukturen wie im Darm. Während Magenkrebs aus der Schleimhaut (Mukosa) entsteht, entwickeln sich GIST aus der tieferliegenden Submukosa, also dem Bereich unter der Schleimhaut, wo ebenfalls Nervenzellen zu finden sind. Diese sind wahrscheinlich der Ursprung der GIST-Tumoren.
Da GIST nach außen wachsen und den umliegenden Raum verdrängen, verursachen sie häufig lange Zeit keine Beschwerden. Der Bauchraum bietet viel Platz, sodass der Tumor zunächst unbemerkt bleibt.
Erst in einem fortgeschrittenen Stadium kann es zu Symptomen kommen – etwa Appetitlosigkeit, Übelkeit, Blut im Stuhl oder Bauchschmerzen. Solche Anzeichen treten meist dann auf, wenn der Tumor sehr groß geworden ist, auf andere Organe drückt oder in den Magen-Darm-Trakt hineinwächst und dort Blutungen verursacht.
GIST werden häufig erst spät entdeckt. In manchen Fällen fällt die Diagnose erst dann, wenn der Tumor bereits gestreut hat – etwa in das Bauchfell oder die Leber. Ebenso häufig handelt es sich um Zufallsbefunde, die bei Routineuntersuchungen entdeckt werden – etwa im Ultraschall bei der Vorsorgeuntersuchung beim Gynäkologen oder bei einer Magenspiegelung, bei der man eine Vorwölbung in den Magen sieht weil etwas von außengegendrückt.
Da GIST sehr selten sind, gibt es keine eindeutigen oder spezifischen Warnzeichen. Dennoch können bestimmte Veränderungen Anlass geben, ärztlichen Rat einzuholen:
Gerade bei fortgeschritteneren Tumoren kann der Arzt manchmal eine harte Struktur im Bauchraum ertasten. Solche Anzeichen sollten ernst genommen werden.
Eine regelmäßige Vorsorgeuntersuchung speziell für GIST gibt es nicht. Tumoren im Dickdarm oder Enddarm sind selten, und GIST treten häufiger in Bereichen auf, die mit Routineuntersuchungen nur schwer erfasst werden.
Ultraschall allein ist nicht ausreichend zuverlässig, da Luft im Magen und Darm die Bildgebung erschwert.
Zur sicheren Diagnose sind daher Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) notwendig. Beide Verfahren liefern genaue Bilder, insbesondere wenn sie mit Kontrastmittel durchgeführt werden.
Ein GIST lässt sich im Blutbild meist nicht erkennen. Nur bei inneren Blutungen oder fortgeschrittener Erkrankung können indirekte Hinweise wie Blutarmut oder veränderte Leberwerte auftreten.
Spezifische Tumormarker für GIST existieren bislang nicht, auch wenn Forschungsansätze versuchen, die KIT-Mutation im Blut nachzuweisen.
Unsere Körperzellen kommunizieren über Signalstoffe, die an bestimmte Eiweißstrukturen (Rezeptoren) auf der Zelloberfläche binden. Diese Rezeptoren nehmen das Signal auf und lösen in der Zelle eine Reaktion aus – zum Beispiel Wachstum oder Teilung.
Bei GIST spielen vor allem zwei solcher Rezeptoren eine zentrale Rolle: KIT und PDGF-Rezeptor-alpha. In etwa 90 % der Fälle liegt in einem dieser Gene eine genetische Veränderung (Mutation) vor. Diese Mutation führt dazu, dass der Rezeptor dauerhaft aktiv ist – er sendet also ständig das Signal „wachse und teile dich“, auch ohne äußeren Reiz.
Dadurch beginnen die betroffenen Zellen, unkontrolliert zu wachsen, und es entsteht ein Tumor. Andere genetische Veränderungen können ebenfalls eine Rolle spielen, aber diese Mutation ist der entscheidende Mechanismus für die Entstehung der meisten GIST.
Die Behandlung von GIST erfolgt meist mit sogenannten Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI). Diese Medikamente setzen genau dort an, wo die Mutation das Wachstum auslöst – sie blockieren das Signal an der „Schaltstelle“ der Zelle.
Ob diese Therapie wirkt, hängt von der genetischen Veränderung ab. Daher ist eine Mutationsanalyse der Tumorzellen zwingend erforderlich, bevor mit der Behandlung begonnen wird.
Wenn die Medikamente wirken, zeigen sie meist deutliche Effekte:
Diese Therapieform kann in allen Krankheitsstadien eingesetzt werden und hat die Behandlungsmöglichkeiten bei GIST entscheidend verbessert.
Wenn Tumorzellen durch die Therapie absterben, räumt das Immunsystem die abgestorbenen Zellen in der Regel ab. Dennoch reagieren GIST im Gegensatz zu anderen Krebsarten nicht gut auf Immuntherapien. Die Gründe dafür liegen in der biologischen Beschaffenheit der GIST-Zellen, die für Immunzellen weniger „sichtbar“ oder attraktiv sind. Studien mit klassischen Immuntherapien zeigen bisher keine überzeugenden Ergebnisse. Dafür wirken die Tyrosinkinase umso besser und sind derzeit Behandlungsstandard.
GIST treten meist bei älteren Menschen auf, typischerweise ab dem 60. Lebensjahr. Das Durchschnittsalter bei Erkrankungsbeginn liegt bei etwa 70 Jahren.
Bei jüngeren Patienten handelt es sich oft um besondere Unterformen – zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Neurofibromatose Typ 1 oder dem Verlust des Enzyms Succinatdehydrogenase (SDH).
In seltenen Fällen treten GIST familiär gehäuft auf. Diese sogenannten familiären GIST-Syndrome beruhen auf vererbten genetischen Veränderungen. Betroffene entwickeln meist früher und mehrfach GIST im Laufe ihres Lebens.
Eine Mutation ist eine Veränderung im Erbgut, also im genetischen Bauplan der Zellen. Dieser Bauplan wird normalerweise exakt kopiert, wenn sich Zellen teilen. Wird jedoch ein Abschnitt falsch abgelesen oder verändert, entsteht daraus ein abweichendes Eiweißmolekül.
Im Fall von GIST betrifft diese Veränderung die Gene, die für bestimmte Rezeptoren auf der Zelloberfläche codieren – meist KIT oder PDGF-Rezeptor-alpha. Durch die Mutation wird der Rezeptor so verändert, dass er dauerhaft aktiv bleibt. Die Zelle erhält dadurch ständig das Signal, sich zu teilen und zu wachsen, auch ohne äußeren Wachstumsreiz. Diese genetische Daueraktivität ist die zentrale Ursache für die Tumorentstehung bei GIST. Da die Aktivierung aber weiterhin Energie benötigt, greifen die modernen Medikamente genau an dieser Stelle an.
Die Behandlung erfolgt meist mit Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) wie Imatinib, dem ersten für GIST zugelassenen Medikament. Dieses Medikament blockiert gezielt die Stelle am Rezeptor, an der die Energie normalerweise bindet. Wenn diese Bindung unterbrochen wird, stoppt das Wachstumssignal, und die Tumorzellen verlieren ihre Aktivität – bildlich gesprochen: der „Stecker wird gezogen“.
Allerdings funktioniert dieses Prinzip nur, wenn die genetische Veränderung eine bestimmte Form hat. Es handelt sich um ein Schlüssel-Schloss-Prinzip: Nur wenn das Medikament exakt in die betroffene Struktur passt, kann es wirken. Deshalb ist vor jeder Therapie eine genaue molekulargenetische Untersuchung (Mutationsanalyse) des Tumorgewebes erforderlich.
Die übliche Stadieneinteilung (UICC I–IV) hat bei GIST wenig Aussagekraft. Stattdessen erfolgt die Beurteilung nach dem Rückfallrisiko, das sich aus mehreren Faktoren zusammensetzt:
Diese Parameter ermöglichen die Berechnung eines individuellen Risikos, auf dessen Grundlage entschieden wird, ob eine anschließende Imatinib-Therapie sinnvoll ist.
Bei GIST zeigt eine klassische Chemotherapie keine Wirkung. Die früher übliche Strategie, Tumoren sofort operativ zu entfernen, gilt heute nicht mehr als Standard.
Entscheidend ist eine Behandlung durch erfahrene GIST-Spezialistinnen und -Spezialisten, um unnötige Eingriffe zu vermeiden und den optimalen Zeitpunkt für Operation und medikamentöse Therapie festzulegen.
GIST sollten ausschließlich in Sarkomzentren oder spezialisierten GIST-Zentren behandelt werden.
Dort arbeiten Onkologen, Chirurgen, Radiologen und Pathologen interdisziplinär zusammen. Nur so können Diagnose, Therapie und Nachsorge optimal aufeinander abgestimmt werden.
Die Operation erfolgt gewebeschonend – der Tumor wird vollständig, aber ohne großen Sicherheitsabstand entfernt. Entscheidend ist, dass er nicht verletzt oder aufplatzt.
Ein GIST ist in der Regel kein medizinischer Notfall. Nur bei akuten Komplikationen wie Blutungen oder Darmverschluss muss sofort gehandelt werden.
In allen anderen Fällen bleibt genügend Zeit, sich an ein Spezialzentrum zu wenden und sich umfassend zu informieren.
Die erfolgreiche Behandlung eines GIST erfordert ein Team erfahrener Fachleute:
Gerade die pathologische Beurteilung ist von großer Bedeutung: Nicht jeder Tumor, der zunächst wie ein GIST aussieht, ist tatsächlich einer. Deshalb sollte im Zweifel eine Referenzpathologie eingeschaltet werden.
Die langfristige Betreuung kann anschließend wohnortnah durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte erfolgen. Entscheidend ist jedoch, dass alle wesentlichen Therapieentscheidungen – vor allem zu Beginn und bei jeder Änderung – im spezialisierten Zentrum getroffen werden.
Dank moderner Therapien können viele Patienten auch mit einer metastasierten Erkrankung über Jahre hinweg ein weitgehend normales Leben führen. Mit gezielter medikamentöser Behandlung, Nebenwirkungsmanagement und psychosozialer Unterstützung ist eine hohe Lebensqualität erreichbar.
Inzwischen stehen mehrere zugelassene Medikamente zur Verfügung, und neue Substanzen werden in klinischen Studien getestet.
Auch lokale Therapien wie Bestrahlung oder gezielte operative Eingriffe gewinnen an Bedeutung. Früher als strahlenresistent angesehen, können GIST heute in bestimmten Fällen erfolgreich bestrahlt werden – insbesondere, wenn einzelne Herde wachsen, während andere stabil bleiben.
Diese modernen Behandlungsstrategien zeigen, wie sehr sich das Wissen über GIST in den letzten Jahren erweitert hat – und wie wichtig es ist, die Erkrankung ganzheitlich und interdisziplinär zu betrachten.
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